Wenn du Dschungel, Weihnachtskitsch und Tradition suchst und du schon immer eine fremde Sprache im Sportstudio lernen wolltest, dann bist du in Krakau richtig! Ein Erfahrungsbericht darüber, wie man sich während eines Erasmusaufenthaltes zu Hause fühlen kann. Von Nicole Traber und Marion Florianne Knöpfel

Unser drittes Semester im Master sollte für uns ein ganz besonderes werden – wir hatten uns für einen Auslandaufenthalt in Krakau an der Universität Jagielloński entschieden. Die Universität, welche im Jahre 1364 gegründet worden war und somit zu den ältesten Europas zählt, besuchen ungefähr 40`000 Studierende – also eine Vielzahl mehr als wir es von Basel gewohnt sind.

Dementsprechend gestaltete sich auch das Zurechtfinden im Dschungel organisatorischer und administrativer Hürden nicht ganz einfach. Dank der Unterstützung von netten Hilfsassistenten meisterten wir aber doch noch erfolgreich das Einschreiben in Vorlesungen und den Polnisch-Sprachkurs. Etwas enttäuscht mussten wir dann aber feststellen, dass in unseren Kursen primär andere Austauschstudierende sassen und wir mit Pol*innen an der Uni kaum in Kontakt kamen – wir waren in der Erasmus-Bubble angekommen.

Um dem etwas entgegenzuwirken, schrieben wir uns in einem Sportstudio ein, da die Universität keinen Unisport anbietet. So kombinierten wir fortan das Schwitzen im Konditraining mit gratis Polnisch-Lektionen. Auch besuchten wir dank günstigen Zug- und Bustickets zahlreiche Städte und unternahmen Ausflüge in den nahegelegenen Nationalpark. Nach unserem ersten Monat in Krakau konnten wir endlich feststellen, dass wir voll und ganz in Polen angekommen waren und schon viel erlebt und gesehen hatten. Dank unserem Sprachkurs verstanden wir langsam immer mehr; so auch was auf der Speisekarte stand, was das Bestellen im Restaurant zu einer wahren Freude für uns machte und bei den Serviceangestellten zu einer Erleichterung führte.

Mit der Zeit wurden die Tage immer kürzer und wir mussten feststellen, dass die Sonne in Polen wirklich sehr viel früher untergeht als in der Schweiz. Dafür verstehen die Polen was von Weihnachtsdeko und ganz Krakau erleuchtete ab Anfang November in blauen und silbernen Lichtern. Ob schön oder doch etwas sehr viel Kitsch – darin spalteten sich die Geister. Für uns hiess das aber auch, dass unser erster Teil des Auslandsaufenthalts sich dem Ende neigte, da wir wie alle anderen Austauschstudierenden Weihnachten zu Hause bei der Familie verbrachten.

Krönung unseres Aufenthalts

Nach unseren Ferien über Weihnachten und Neujahr stiegen wir mit gemischten Gefühlen aus dem Flugzeug aus und starteten den letzten dreiwöchigen Abschnitt unseres Auslandsemesters. Eine Stadt, die uns nach drei Monaten Erasmusaufenthalt nun schon sehr bekannt und doch immer noch ein wenig fremd war. Der Unterbruch über Weihnachten und Neujahr hatte uns einerseits gut getan – ein grosses Wiedersehen mit Freunden, Familie und allen anderen Personen in unserem nahen Umfeld. Andererseits war der abrupte Wechsel von polnischer Umgebung zu Schweizer Luft und zurück nicht einfach – Abschiede von geliebten Menschen (und der warmen Dusche) lauerten bereits im Hinterkopf bei unserer vorweihnachtlichen Ankunft und man kann schon sagen, dass sich das Leben in Polen hinsichtlich gewisser Lebensstandards doch etwas einfacher gestaltete.    

Kaum waren wir wieder auf polnischem Boden, rückte schon der erste grosse Feiertag im Jahr heran: Dreikönigstag. Die einzige Verbindung die wir dazu haben, sind süsse, klebrige Brotkränze mit Plastikkönigen und goldene Kronen. Hier auf jeden Fall ging das Ganze doch noch ein Stück weiter. Es liessen sich zwar keine Brotkränze finden, dafür umso mehr Kronen. Kronen auf allen Köpfen und je näher dem Zentrum, umso mehr gekrönte Häupter. Es stellte sich heraus, dass der Dreikönigstag einer der grössten, öffentlich zelebrierten katholischen Feiertage im Jahr ist. Der Erlös der in drei Farben erhältlichen Kronen diente einer riesigen Spendenaktion für ein soziales Hilfswerk in Polen. Allgemein ist das Sammeln von Spenden für Hilfsprojekte innerhalb des Landes ein grosses Thema. Dies war insofern interessant für uns, da dies in der Schweiz so nicht üblich ist.

Obwohl uns das Ausmass und die Hintergründe dieses Spektakels zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar war, entschieden wir uns je für den Erwerb einer roten Krone, um uns in der polnischen Tradition zurechtzufinden. Wie sich herausstellte, standen die drei Farben der Krone für die drei verschiedenen Könige. Mit der roten Krone gehörten wir dem Umzug des afrikanischen Königs an. Daneben stand die Farbe Blau für den europäischen und die grüne Krone für den asiatischen König. Mit drei mehr oder weniger imposanten Umzügen, gesellten sich nach und nach alle drei Gefolgschaften zur aufgeregten, gekrönten Masse an Menschen auf dem Rynek Głowny (Hauptplatz). Wir weilten unter ihnen und versuchten unseren König auszumachen. Wie immer etwas von den polnischen Feierlichkeiten überfordert, bildeten wir mit den anderen wartenden Menschen einen Empfangskorridor. Mit Inbrunst singend schritt der Umzug unseres Königs zur Hauptbühne. Wir, mit einem polnischen Gesangsheft bewaffnet, versuchten den patriotischen Polen nachzueifern und den Schein zu wahren. Leider mussten wir unseren eigenen Misserfolg eingestehen. Es scheiterte bereits an der Suche nach dem richtigen Liedtext im Büchlein.

Weichsel lässt nicht so schnell loss

Trotz allem genossen wir es, Teil von der polnischen gelebten Kultur und Tradition sein zu dürfen. Die Komplexität der polnischen Sprache, trotz des A1 Sprachkurses, und die doch langsam unter unsere Kleider kriechende Kälte beschleunigten unseren Rückzug. Bei einer typisch polnischen, heissen Schokolade, praktisch ohne Milch und nur mit flüssiger Schokolade, konnten wir unsere Ankunft Revue passieren lassen. Am Tag zuvor noch mit einem etwas mulmigen Gefühl, wurden wir bereits am zweiten Tag wieder in den Sog und Bann des polnischen Lebens in Krakau hineingezogen. Waren wir jemals wirklich weg gewesen?

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