Snowboarderin Jessica erzählt, wie sie ihren Traum zum Beruf macht und gleichzeitig auf Nichts verzichten muss. Leistungssport und Studium lassen sich unter ein Hut bringen und es macht verdammt viel Spass! Von Tomas Marik
Jessica Keiser ist eine professionelle Snowboardfahrerin. Sie hat eine sehr erfolgreiche Wintersaison hinter sich. Sie repräsentierte die Schweiz in der Disziplin Snowboard Alpin bei den Weltmeisterschaften in Slowenien und konnte sich zweimal unter den Top 15 platzieren. Jetzt, wo der Winter vorbei ist, schaut sie zurück auf ihre Saison und erzählt von den Herausforderungen, die der Spitzensport und das Studieren mit sich bringen.
Jessica, du bist dieses Jahr deine erste Weltmeisterschaft gefahren und hast in Slowenien den 13. Rang erreicht! Herzliche Gratulation! Wie hat es sich angefühlt und bist Du mit deinen Fahrten zufrieden?
Es war ein schönes Gefühl. Anderseits denke ich mir immer, dass noch mehr gegangen wäre und bin so deshalb nur bedingt zufrieden. Schliesslich zählen bei einer Weltmeisterschaft am Ende immer nur die Medaillen, für die hat es noch nicht gereicht. Wenn ich aber meine Ergebnisse aus der Saison ansehe, ist hier eine steigende Konstante und die entspricht meiner Platzierung in Rogla.
Corona hat sicher auch deine Wintersaison stark beeinflusst. Wo hast du es am meisten gemerkt und was hat dir im Vergleich zu den letzten Saisons am meisten gefehlt?
Absolut. Jedoch kann ich glücklich sein, dass wir so viele Wettkämpfe hatten. Wir hatten regelmässig Corona-Tests und hatten immer wieder klare Regeln, die zu befolgen waren. Gefehlt hat mir ganz klar der Kontakt zu meinen Freunden, denn dieser musste ich schon einschränken. Zumal wollte ich ja nicht noch ein zusätzliches Risiko eingehen, plötzlich mich mit dem Virus zu infizieren und anschliessend nicht startberechtig zu sein.
Jessica, Du machst Leistungssport und gleichzeitig studierst Du. Was studierst Du und wieso hast Du dich entschieden zu studieren?
Ich habe an der Fernfachhochschule (FFHS) im Bachelor Finance und Banking studiert. Jetzt studieren ich am selben Ort Executive Master of Business Administration. Dieser Studiengang an der FFHS ermöglicht mir Leistungssport und Studium zu kombinieren, da ich nur ein bis zwei Mal im Monat Präsenzunterricht habe und der Rest online erfolgt.
Ich habe mich für ein Studium entschieden, da ich von Anfang an wusste, dass das Kapitel Leistungssport einmal zu Ende gehen wird und ich möchte auch an meine Zukunft denken. Das Studium hilft mir aber auch, meine Träume im Sport zu verwirklichen. Ich bin für mein Marketing und Sponsoring selbst verantwortlich und in meinem Wirtschaftsstudium habe ich viel gelernt, wie ich mich selbst als Sportlerin managen kann.
Wie kannst Du Studium mit dem Sport kombinieren? Hättest Du dir vorstellen können an einer Universität zu studieren?
Nein, schlussendlich ging der Leistungssport vor. Snowboard ist meine grosse Leidenschaft und es ist momentan meine grösste Priorität. Trotzdem ist Studium mir sehr wichtig und ich wollte darauf nicht verzichten. Die Fernfachhochschule bietet mir die Flexibilität, welche keine Universität oder ETH mir bieten kann. Ich bin sehr oft unterwegs und deshalb stand eine Universität auch nie zur Debatte. Auch sehe ich für mich hier keinen Nachteil, dass ich an einer FH studiere und nicht an einer Universität.
Du bist sehr ehrgeizig. Wie hat dich Sport in deinem Studium beeinflusst?
Die Zielstrebigkeit und Ausdauer aus dem Spitzensport helfen mir ganz klar. Wenn man was erreichen will, dann muss man dafür hart arbeiten. Gerade im Fernstudium muss man sehr viel im Selbststudium lernen und aufarbeiten. Oft lerne ich müde zwischen Wettkämpfen und Trainings am Abend in meinem Hotelzimmer und gerade dann hilft mir die Zielstrebigkeit aus dem Leistungssport sehr am Lernstoff dranzubleiben.
Du hast dich mehrmals verletzt. Hast Du dir dann überlegt mit dem Leistungssport aufzuhören? Und was hat dir Mut gegeben weiterzumachen?
Ich habe mich während meiner sportlichen Karrieren öfters Mal verletzt. Ich habe mir mein Wadenbein gebrochen, das Kreuzband angerissen, habe eine Gehirnerschütterung und Schleudertrauma erlitten. So Kleinigkeiten, wie als ich mir meinen Finger gebrochen habe, zähle ich gar nicht dazu. Aber das ich wegen den Verletzungen mein Sport aufgebe? Nein, das stand wirklich nie zur Debatte. Ich habe ein gutes Umfeld von Familie, Freunden, Sponsoren und Gönner, auf die ich zählen kann. Ich weiss auch immer wieviel Potential in mir steckt und ich habe meine Ziele vor Augen, die mich motiviert haben, immer weiterzumachen. Meine diesjährige erfolgreiche Saison gibt mir auch Recht und zeigt mir, dass ich auf dem richtigen Weg bin und alles richtig mache.




Alpin Snowboard ist eine Randsportart, wie gehst Du damit um, kannst Du dich damit finanzieren?
Ich würde mir im Fernsehen mehr Minuten und Aufmerksamkeit für meinen Sport wünschen, Snowboard ist ein attraktiver Sport zum Zuschauen! Das höre ich auch immer wieder aus den Rückmeldungen. Die Randsportlage von alpinem Snowboard hat aber trotzdem einen grossen Vorteil. Da man mit Snowboard nicht das grosse Geld machen kann, machen alle Athleten den Sport mit grosser Leidenschaft und haben Spass am Snowboard fahren.
Da das Preisgeld erst ab den vorderen Rängen im Worldcup vergeben wird, muss ich mich um die Finanzierung selbst kümmern. Ich kann mich dank der Spitzensportförderung der Armee, Sportförderung des Kantons Nidwalden, Sponsoren und Gönnern finanzieren. Ihre gemeinsame finanzielle Unterstützung ermöglichen mir alle Auslagen zu decken. Preisgeld wird unter den Top 8 vergeben (Anm. d. Red.: Bisherig beste Worldcup-Platzierung ist der 7. Platz in Carezza 2020.) Ich mache es nicht wegen dem Geld. Snowboarden ist meine Leidenschaft.
Die Gleichstellung ist ein grosses gesellschaftliches Thema, und ist jetzt auch im Sport angekommen, ob in Tennis, Kampfsport oder Leichtathletik. Wie sieht es im Snowboarden aus. Fühlst Du dich im Vergleich zu Männern irgendwie benachteiligt?
Nein, ich sehe keine Nachteile für die Frauen. Snowboarden ist aus meiner Sicht ein sehr fairer Sport. Die Athleten und Athletinnen trainieren immer gemeinsam. Und auch die Preisgelder werden genau gleich zwischen den Geschlechtern verteilt.
Was planst Du für die Zukunft, nachdem Du deine Sportkariere beendet hast?
Das kann ich momentan noch nicht sagen. Ich kann auf eine gute Ausbildung zurückgreifen. Einerseits habe ich viel über das Management und Marketing gelernt, in dem ich mich selbst um meine eigene Finanzierung kümmern muss, anderseits habe ich eine gute Ausbildung an der Fernfachhochschule geniessen können. Dieses Gesamtpacket an Fähigkeiten wird mich bestimmt weiterbringen. Als Sportlerin bin ich es mir gewohnt, mich immer weiterzuentwickeln und Neues zu lernen, und deswegen bin ich zuversichtlich, dass meine Fähigkeiten in der Privatwirtschaft gefragt werden. Aber zum Glück muss ich mich noch nicht entscheiden, möchte mir alle Türen offenlassen.
Du scheinst sehr glücklich zu sein, mit dem was Du machst. Gibt es trotzdem etwas, was Du vermisst? Was Du anders machen würdest?
Das ist eine gute Frage! Über Weihnachten bin ich immer zuhause bei der Familie, doch ich wünsche mir ab und zu, dass das Fest im Sommer wäre. Da in dieser Zeit gerade die Saison voll im Gange und der Druck gross ist, bin ich öfters mit meinem Kopf an der Skipiste, als mit der Familie. Aber ich weiss, ich kann im Sommer die Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden nachholen. Den Herbst verbringe ich auf den Gletschern, ab dem Dezember beginnen die Rennen und dauern bis März an. Dann gönne ich mir eine kleine Pause und ab Ende April fange ich mit dem Sommertraining wieder an.
Obwohl mein Jahr stark durchplant ist, sehe ich nicht, dass ich vieles verpassen würde. Der Sport gibt mir so viel und ich muss an kaum was verzichten. Ich kann überall hinreisen und kann viel Persönliches mit dem Sport verbinden und es fehlt mir an Garnichts.

Was würdest Du einem Leistungsportlern raten nach seiner Matura. Würdest Du ihm deinen Weg empfehlen?
Wenn man die Matura abgeschlossen hat, finde ich, dass man seine Ausbildung abschliessen sollte. Das Studium ist sehr wichtig. Das Studium lässt sich gut mit Leistungssport kombinieren, es ist auch ein guter Ausgleich. Wenn man studiert, dann bin ich voll bei meinen Büchern und wenn ich Snowboard fahre, dann konzentriere ich mich auf die Piste. So kann ich mich von beiden auch erholen und neue Kraft und Motivation schöpfen.
Deswegen würde ich jedem Leistungssportler das Studium anraten. Man kann sich auch ein wenig Zeit lassen und muss das Studium nicht in der regulären Zeit abschliessen. Zwar ist jede Person und jede Sportart unterschiedlich, doch im Leistungssport lernt man sich zu Fokussierung und wenn man deshalb wirklich studieren möchte, sehe ich keinen Grund, warum man es nicht machen sollte.
Und schon sind wir bei der Pflichtfrage angekommen. Was planst Du für die Zukunft, was sind deine nächsten Ziele und Hürden, die Du überwinden möchtest?
Mein langfristiges Ziel ist meinen Traum zu erfüllen und an den kommenden Olympischen Winterspiele in China teilzunehmen. Nach der der vergangenen Saison weiss ich, dass ich sehr gut Snowboard fahren kann und darauf will ich aufbauen und freue mich sehr auf die kommende Zeit darauf!
Ebenfalls will ich mein EMBA-Studium zu Ende bringen und mit der Master Thesis abschliessen. Was danach kommt, weiss ich noch nicht. Aber ich bin mir sicher, langweilig wird es mir nicht!
Titelbild: MI-PRESS / Igor Kupljenik
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