Wieso tanzen junge Erwachsene in Basel ausgerechnet Tango?

Lange glaubte ich, dass Natur, Sport, Musik und das gelegentliche Bier in der Bar für ein erfülltes Menschenleben völlig ausreichen. Jetzt glaube ich, dass zu einem guten Leben auch eine Prise Tanz dazu gehört. Es gab unglaublich intensive Momente, die ich in der Intensität nur bei diesem Hobby erleben konnte. Ich erzähle in diesem Text, wie ich zu dieser Erkenntnis kam. Aber ich schreibe nicht nur darüber, sondern biete bei Plan-T mit meinen Freunden auch die Tanzkurse an, damit diese Erfahrungen selber erlebt werden kann. Von Patrick Tobler

Das Wort Paartanz wirkte auf mich sehr öde und gar nicht zeitgemäss, insbesondere wenn ich dabei an etwas wie Tango dachte. Es kommen Bilder hoch von einer Turnhalle, wo in einer verspannten Umarmung die vorgegebenen Schrittfolgen fehlerhaft nachgestolpert werden. Seltsamerweise habe ich diese Assoziationen weiterhin, auch wenn meine Erfahrung mit dem Tanzen eine ganz andere ist. In meiner Erzählung kommt gelegentliches Stolpern auch vor, das gebe ich zu. Aber vor Allem spielt sie in einem improvisierten Tanzlokal oberhalb von einer verwunschenen Metallwerkstatt, nicht in einem spiessigen Tanzlokal. Und die Umarmungen sind nur selten verspannt, sie wurden mit der Zeit sogar schön weich und wohltuend.

Wie ich über den Tango stolperte

Als ich fürs Studium nach Basel kam, kannte ich niemanden und wollte schnell neue Bekanntschaften schliessen. Das Bedürfnis nach Kontakt ausserhalb von Arbeit oder Studiengang führte mich schnell zum Unisport. Zuerst versuchte ich mein Glück bei den Trainings ohne Anmeldung. Diese erlebte ich aber als eher anonym, da diese Trainings für grössere und wechselnde Gruppen angelegt waren. Ich konnte mich hier beim Sport austoben, fühlte mich aber nicht so richtig mit den Leuten verbunden.

Als nächstes probierte ich einen Kurs mit Anmeldung, weil ich dachte: Wer sich anmeldet kommt auch regelmässig in das Training, und die Gruppe ist klein. Ich meldete mich also ohne Vorkenntnisse und zwei linken Füssen beim erstbesten Tanzkurs an. Meine Hoffnung erfüllte sich, ich fand mich in einer sehr angenehmen Gruppe wieder. Wir trafen uns ab und zu nach dem Kurs auf ein Bier, oder auch mal an einem Wochenende auf einen Ausflug. Dass ich in einem Grundlagenkurs bei Plan-T landete, weiss ich erst jetzt wirklich zu schätzen.

Ich bin neugierig und mag Herausforderungen. Ich bin aber auch ein bisschen stolz und stur. Wenn ich etwas vermeintlich Einfaches nicht kann, triggert das meinen Ehrgeiz. Die guten Tänzer bewegen sich unglaublich flüssig, intuitiv und musikalisch. Einige spielen sogar im Tanz – das überraschte mich komplett. Erstens wusste ich, dass meine Bewegungen weder flüssig noch intuitiv waren. Zweitens war es ein grosses Rätsel, das ich verstehen wollte: Wie können zwei Menschen spielerisch interagieren, ohne Ball oder Karten? Ich sah auch keine griesgrämigen oder tadelnden Gesichter. Mein Ehrgeiz war geweckt und ich fühlte mich wohl – hier wollte ich bleiben. Deshalb meldete mich in den folgenden Semestern im Unisport Fortgeschrittenenkurs an.

Ein paar Jahre zuvor, als sechzehnjähriger Austauschschüler in Lateinamerika, lernte ich körperlichen Kontakt zu schätzen. Einerseits weil er einfach schön sein kann und andererseits weil er mit emotionalem Kontakt eng verwandt ist. Anfangs war es für mich dort etwas befremdlich, wie häufig sich meine Klassenkameraden im Alltag berührten. Ich versuchte, mich so schnell wie möglich an diese fremde Kultur zu gewöhnen. Als ich ein Jahr später in die Schweiz zurückkehrte, fehlte mir diese unbefangene Körperlichkeit.

Eine Umarmung zu Begrüssung und Abschied gehörten damals noch nicht zum normalen Umgang mit meinen Leuten. Vermutlich war damals eine derartige körperliche Distanz für 17-jährige Jungs normal. Als ich viele Jahre später im Tanzverein merkte, dass auch in der Schweiz diese Art physischer Nähe existiert kann, wollte ich unbedingt damit weiter machen.

  • Tango Basel
  • Tanzen
  • Plan T
  • Tanzen Basel

Was kommt nach den Kursen?

Aus meinen ersten Schritten im Tanzkurs wurden bald Wochenendausflüge in fremde Städte. Teilweise wagte ich mich alleine auf kleine Abenteuer, Städtetrip mit Jugendherberge, Museum tagsüber, nachts Tanzen. Wir reisten auch in kleineren und grösseren Gruppen an Tanzveranstaltungen in ganz Europa, wo wir jeweils mehrere Tage blieben. Ich bin heute selber bei Plan-T aktiv, dem Verein, bei dem ich meine ersten Tanzschritte wagte. Wir organisieren ein- bis zweimal jährlich Wochenenden, an welchen wir uns – unter anderem – zum Tanzen treffen.

Von Anfang an wurde mir der ursprünglich argentinische Tanz ohne Grundschritt beigebracht. Das war für mich eine Überraschung, ich erwartete von einem Tanz klare Vorgaben an Rhythmus und Schrittfolge. Das Fehlen solch struktureller Vorgaben ist ein grosser Vorteil, denke ich jetzt, und unterrichte das auch so: Weil es keinen Grundschritt gibt, an den sich die Neulinge klammern können, ist das Paar dazu gezwungen, zu kommunizieren. Es gibt kein richtig und falsch. Die Kommunikation kann anfangs noch verbal sein, wechselt aber irgendwann den Kanal und wird rein kinästhetisch. Und dann, von einem Moment auf den anderen, wird im Kurs diese einzigartige Körper-Sprache gesprochen, die an den Tanz-Events auf der ganzen Welt verstanden wird.

Der grössere Kontext

Im Alltag nehme ich meine Gedanken häufig als Wörterketten war, insbesondere wenn ich konkrete Probleme lösen muss. Wenn ich beim Tanzen im Flow bin, nehme ich nur meinen Körper, die Berührung und die Musik war – keine Wörter. Meine Selbstwahrnehmung ist dann im Jetzt und im Körper, es hat eine meditative Qualität. Wenn meine Partnerin mich mit einer unerwarteten Interpretation überrascht, freue ich mich, lache manchmal sogar. Wenn sie mich herausfordert, provoziere ich sie zurück. Wenn die Umarmung einfach schön ist, geniesse auch mal einfach diesen Moment. Tanzen tut mir auf vielen Ebenen gut.

Soziale Medien und endlos scrollende Webseiten versprechen einen nie endenden Strom von Freude. Nach zu viel Zeit am Handy fühle ich mich aber häufig seltsam leer und einsam. Weil ich dem Leben auf dem Bildschirm zugeschaut habe, ohne dabei gewesen zu sein. Beim Tanzen schaue ich dem Leben nicht nur zu, sondern bin Teil davon.

Menschen benötigen Körperkontakt und Gemeinschaft, das ist gut für die psychische Gesundheit. Das Hirn schüttet bei Berührung Neurotransmitter aus, welche gute Emotionen auslösen. Diese Neurotransmitter schaffen Bindung und Vertrauen, wir fühlen uns wohl und entspannt.

Wie geht’s weiter?

Während der Pandemie war für mich alles etwas isolierter, sowohl emotional als auch physisch. Das Smartphone hat meinen Alltag in dieser Zeit mehr erobert, als mir wohl ist. Ich glaube, dass Tango, jedenfalls so wie wir bei Plan-T ihn leben, etwas sehr Positives ist, was wir gerne teilen.

Wir bieten immer wieder Kurse für Unisport und als Verein an, unter anderem gratis Schnupperkurse oder reguläre Crashkurse. Unser Verein ist einzigartig, das weiss ich nach all meinen Reisen. Vorbehalte gegenüber Paartanz kann ich sehr gut nachvollziehen, erst recht, weil das Konzept dieser Kurse eher aus der Zeit gefallen scheint. Ich hoffe, dass viele junge Erwachsene dem Tango eine Chance geben. Denn es kann sich richtig lohnen, das verspreche ich.

Tango für junge Erwachsene in Basel

Plan-T: Tanzkurse und Events
Practica: Jeden Mittwoch ab 20:15 in Caminito (Basel, Gundeli) bei Practica (begleitete Übungsstunde) tanzen gehen oder einfach nur mal unverbindlich vorbei schauen (Eintritt frei).
Unisport: Tanzkurse für Studierende

Weitere Infos auf Instagram und Facebook

Bilder: Plan-T

Kommentar verfassen