Halb verfaulte Avocados im Spülbecken? Ach was! Das Leben in einem Studentenwohnheim macht trotzdem Spass. Von Carina Basig

Wie man sich das Leben im Studentenheim vorstellt: Chaotisch, schmutzig, laut. Der Chemiestudent tanzt in der Küche zwischen ungewaschenem Geschirr mit der eben neu eingezogenen, hübschen Asiatin. Ein paar Geisteswissenschaftler grölen auf dem Sofa und trinken Bier und der Jurist kontrolliert zum dritten Mal mit ungeduldigem Blick auf seine Uhr ob er sein Essen nicht doch jetzt schon aus der Mikrowelle holen kann, um diesem Irrsinn zu entfliehen. Irgendwo in einer Ecke sitzt schliesslich immer irgendjemand, der gerade erst frühstückt, während die anderen schon wieder feiern.

Nicht alle diese Vorstellungen sind Klischees, einige allerdings schon. Vor allem die Partys. Zumindest dort, wo ich wohne, leben sehr viele Medizin- und Pharmaziestudenten, die selbst beim Kochen und Essen ständig die Nasen in ihren Lehrbüchern haben.

Da bleibt wenig Zeit für rauschende Feste, ja meistens nicht einmal für ein Gespräch. Was aber durchaus der Realität entspricht, ist der erste Teil der Geschichte. Berge von schmutzigem Geschirr, Unordnung und alle denkbaren Zwischenfälle. Wer WG-Erfahrung hat, wird das Phänomen vermutlich kennen, allerdings teile ich mir meine Küche nicht nur mit drei oder vier, sondern mit 18 anderen Studierenden. Dass es dabei zu Zwischenfällen aller Art kommt, ist wenig erstaunlich.

Thunfisch zum Frühstück

Andere Länder, andere Sitten. Mit einer grossen Zahl ausländischer Studenten kommt frischer Wind ins Studentenheim und man kann seinen Horizont erweitern. Sprachlich, kulturell, kulinarisch. Finde ich alles sehr interessant. Es sei denn frühmorgens… Wenn mir schon vor der ersten Vorlesung beim Zusammenrühren meiner Haferflocken der Geruch von frisch gebratenem Thunfisch um die Nase weht, kann einem schon einmal der Appetit vergehen.

Mein Mitbewohner sieht das anders, er hat sich schliesslich nur gerade traditionell Frühstück gemacht. Überhaupt sind die Gerüche, die einem gelegentlich aus der Küche entgegenwehen, sehr gewöhnungsbedürftig und im Extremfall lässt sich nicht genau sagen, ob das Essen geglückt oder schrecklich missraten ist. Zumindest für mein kulinarisch wenig globalisiertes Geschmacksempfinden.

Es sind aber nicht nur andere Kulturen, sondern auch andere Studienfächer, die hin und wieder zu einem Zusammenstoss am Esstisch führen können. So erlebt, als ich mir gerade leckere Spaghetti gemacht hatte. Kaum sass ich am Tisch, als eine Studentin mit Nebenfach Parasitologie zu einem längeren Vortrag über Bandwürmer ansetzte.

Bei den Bildern, die sie uns gezeigt hat, verging mir der Hunger und ein angehender Jurist wäre fast vom Stuhl gefallen. Zum Glück hätten wir für den Fall auch eine angehende Ärztin dabeigehabt, die allerdings von diesem Gespräch nichts mitbekommen hat, weil sie sich während des Essens Bilder von schweren Brandwunden in ihrem Lehrbuch angesehen hat.

Biochemische Experimente im Kühlschrank

Wie bereits erwähnt sind Berge von schmutzigem Geschirr leider auch kein Klischee, sondern bittere Wahrheit. Es fängt ganz harmlos an, mit einer nicht abgewaschenen Pfanne und gipfelt in einem solchen Chaos, dass schliesslich sogar die Hausverwaltung eingreifen muss. Wer diskreter vorgehen will, lagert das schmutzige Geschirr in seinem Zimmer. Sieht zwar ordentlicher aus, führt aber dazu, dass um die letzten beiden in der Küche noch auffindbaren Löffel ein wahrer Kampf entsteht und jeder seine gerade benutzt Tasse mit Argusaugen bewacht.

Aber richtig eklig wird es, wenn in einem der Gemeinschaftskühlschränke ein biochemisches Experiment gefunden wird. Zumindest sehen die Überreste in den Töpfen dann so aus. Die Gerichte, die sich einmal in den jeweiligen Geschirren befunden hatten, sind dann nämlich meist völlig unidentifizierbar geworden und schillern in den wildesten Farben. Von den Gerüchen ganz zu schweigen.

Was schliesslich passiert, wenn die Mitbewohner ihre Freunde zu Besuch haben, kann man sich, denke ich, vorstellen. Aber um in einem 11m2 grossen Zimmer vier Kollegen unterbringen zu können, müssen die Möbel halt schon mal hinaus auf den Gang! Und bei der Lärmdurchlässigkeit der Türen ist eine Störung der anderen Bewohner durch Wettrennen im Korridor morgens um vier unvermeidlich. Denn hin und wieder kommen sie doch auch vor, die anfangs erwähnten Partys.

Lernen von Kommilitoninnen aus anderen Fächern

Um nun zu einem versöhnlichen Abschluss zu kommen: ich wohne sehr gerne im Studentenheim. Wer seine Ruhe liebt und wem beim Anblick von halb verschimmelter Avocado im Spülbecken übel wird, dem würde ich davon abraten. Wer aber ein bisschen Differenzverträglichkeit mitbringt, der wird die schönen Aspekte des Zusammenlebens durchaus zu schätzen wissen.

Ich zumindest geniesse den Austausch, die spannenden Begegnungen, die Gespräche, die plötzlich beim Essen entstehen und ehe man es sich versieht, sind Stunden vergangen. Durch die vielen anderen Studienrichtungen kann man eine Menge lernen, auch wenn man sich den Zeitpunkt dieser Lektionen dann meist nicht aussuchen kann. So kann ein Einblick in das Handwerk einer Zahnärztin zwar sehr lehrreich, aber beim Essen eben doch etwas eklig sein.

Schlussendlich ist aber all den Menschen ein Kränzchen zu winden, die so eine Wohnform überhaupt möglich machen, sei es durch ihre direkte Arbeit im Haus oder ihren Anteil an der Finanzierung. Die Unordnung ist ja nur ein kleiner Teil des Gesamtpakets. Und ohne die Berge an schmutzigem Geschirr hätten wir manchmal keinen Grund, uns zu einer fröhlichen Aufräumrunde zu treffen.

Bild: Aufenthaltsraum des Katholischen Studentenwohnheims in Basel. Quelle: Katholisches Studentenhaus

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