Die Uni hat sich der Gleichberechtigung verschrieben. Was Geflüchtete betrifft, ist sie jedoch noch weit davon entfernt. Von Fabienne Lehmann
Jeder hat das Recht auf Bildung». So steht es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948, Absatz 26. Dieser Grundsatz scheint selbsterklärend, ja in einem stabilen demokratischen Rechtstaat wie der Schweiz selbstverständlich. Doch kann die Universität Basel tatsächlich von sich behaupten, diesem Prinzip gerecht zu werden? Gerade den zweiten Teil dieses Absatzes, den ich im Folgenden noch erläutern werde, scheint die Uni Basel besonders im Umgang mit Geflüchteten mit akademischem Hintergrund keineswegs so umzusetzen.
Hier also ein kurzer Überblick darüber, mit was für Hürden und Stolpersteinen geflüchtete Menschen auf dem verwegenen Trampelpfad der akademischen «Gleichberechtigung» zu kämpfen haben und was die Universität Basel dabei für eine Rolle einnimmt.
Horrende Kosten versperren Zugang zu höherer Bildung
Ca. 10 bis 15 Prozent der Geflüchteten in der Schweiz haben in ihrem Herkunftsland bereits eine höhere Schule oder Universität besucht. Leider kommt es all zu oft vor, dass professionell ausgebildete und gelehrte Menschen nach ihrer Flucht, ungeachtet ihrer Kompetenzen, ihr Studium nicht wieder aufnehmen dürfen. Die Gründe dafür sind unterschiedlich und teils von rein bürokratischer Komplexität. Dokumente können auf der Reise verloren gehen, Universitäten in der Heimat senden die nötigen Papiere nicht nach oder können gar nicht erst kontaktiert werden, da sie wegen Krieg oder finanzieller Schwierigkeiten nicht mehr existieren.
Oder, und dieser Grund ist besonders frustrierend, die mitgebrachten Dokumente und damit nachgewiesenen Diplome werden hier nicht anerkannt. Unter dem Verein Swissuniversities führen die Schweizer Universitäten eine Liste, auf der alle Länder und die für jedes Land unterschiedlichen Anforderungen aufgeführt sind. Je nach Nationalität muss die geflüchtete Person andere Bedingungen erfüllen, damit sie in der Schweiz ihr Studium wieder aufnehmen kann.
Lässt sich zum Beispiel die absolvierte Matura nicht nachweisen, oder der entsprechende Abschluss wird an der jeweiligen Schweizer Hochschule nicht anerkannt, müssen die Geflüchteten die ECUS-Prüfung absolvieren, womit ihr Maturniveau nachgewiesen werden soll.
Die Kosten für diese Prüfung belaufen sich auf 1000 Franken. Die vom Kanton zur Verfügung gestellten Vorbereitungskurse wurden mittlerweile wieder abgeschafft, ein privater Kurs kostet 12’900 Franken, jeder Weitere zwischen 3000 und 7000 Franken. Diese finanziellen Hürden sind für viele nur schwer oder gar nicht zu bewältigen, der Zugang zu Bildung wird ihnen mit geldschweren Türen versperrt.
Abschlüsse werden selten anerkannt
Der föderale Charakter der Schweiz hat also auch Auswirkungen auf die Aufnahmebedingungen der Hochschulen. Diese fallen demnach je nach Standort sehr unterschiedlich aus, jeder Universität ist es selbst überlassen, was für Anforderungen sie stellt. Hier an der Universität Basel wird ein abgeschlossenes Studium nur anerkannt, wenn die Universität, an der dieser Abschluss gemacht wurde, eine staatliche und nicht private Uni ist und zudem einen Ph.D. anbietet. Die Tatsache, dass viele private Universitäten einen ausgezeichneten Ruf geniessen, scheint hier nicht von Belang.
Hier an der Universität Basel gibt es weder eine Fachstelle noch ein Sekretariat, welches für geflüchtete Studierende zuständig wäre. Stattdessen hat sich die studentische Organisation Offener Hörsaal der Aufgabe angenommen, Geflüchteten dabei zu helfen, sich im komplizieren Reglement der Universität zurecht zu finden.
Der Offene Hörsaal hilft dabei, Studiumschancen abzuklären, korrespondiert mit dem Studiensekretariat, begleitet die Geflüchteten, bezahlt für zwei Semester deren Fahrkosten und den Hörerschein und ist nebenbei noch bemüht, sich mit konstanten Spendenanfragen über Wasser zu halten. Die Uni Basel ist momentan zu keiner finanziellen Unterstützung bereit.
Privilegien werden zementiert
Im Leitbild der Universität ist zu lesen: «Die Universität bekennt sich zum Prinzip der Gleichberechtigung». Gleichberechtigung, ein Zustand frei von Diskriminierung und Privilegierung. Ein anderes Wort dafür wäre «Chancengerechtigkeit» und impliziert, dass in der Realität nicht alle die gleichen Mittel und damit gleichen Startbedingungen mitbringen.
Die Aufgabe der Uni wäre es also, dort nachzuhelfen wo diese Bedingungen noch nicht erfüllt sind, damit jeder und jedem die gleichen Chancen offen stehen. Doch was tut die Universität Basel anderes, als das Privileg der einen zu akzeptieren und den weniger Privilegierten in keiner Weise entgegenzukommen, obwohl sie doch eben dem entgegenwirken will? Wo ist ihr Bestreben, gleiche Chancen für alle zu schaffen, damit ihre eigenen Prinzipien eingehalten werden?
Die Universität Basel will allen akademisch interessierten Menschen gleich entgegentreten, niemanden bevorzugen oder gar anders behandeln. Doch um eine tatsächliche Gleichberechtigung zu schaffen, bedarf es einer unterschiedlichen Behandlung, damit die Chancen gleichauf, die Bedingungen und Möglichkeiten für alle dieselben sind.
Die Uni untergräbt ihre eigenen Werte
Wie zu Beginn erwähnt, enthält Art. 26 der Menschenrechte noch eine weitere, für diesen Kontext äusserst bedeutsame Aussage: «Der Hochschulunterricht muss allen gleichermaßen entsprechend ihren Fähigkeiten offenstehen». Eine illusorische Utopie würden manche sagen. Eine heuchlerische Niederlage sage ich, wenn man gar nicht erst versucht, diesem Prinzip gerecht zu werden. Wenn aus Angst vor verdrossenen Steuerzahler*innen keinerlei Mittel aufgewendet werden, um diese Chancengleichheit umzusetzen. Wenn sich erwachsene Menschen und staatliche Institutionen davor scheuen, die eigenen niedergeschriebenen Werte zu vertreten.
Die Uni Basel möchte sich nicht politisch positionieren und unterlässt es deshalb, den Geflüchteten in auch nur irgendeiner Weise entgegen zu kommen, beziehungsweise ihnen überhaupt die gerechten Bedingungen zu schaffen. Doch was sie damit tut, ist die Unterwanderung ihrer eigenen Leitsätze sowie das Ignorieren der Menschenrechte. Die Universität hebt abwehrend die Hände, betont ihre politische Neutralität und profitiert gleichzeitig von studentischen Organisationen wie dem Offenen Hörsaal, den sie zwar auf ihrer Website aufführt und betreffende Aufgaben jenem freiwilligen Engagement von Studentinnen und Studenten überlässt, dem sie jedoch jegliche finanzielle Unterstützung verweigert.
Die Uni plantscht im Moment im trüben Wasser der politischen Neutralität, verliert dabei jedoch ihre eigenen Grundsätze aus den Augen. Es wird Zeit, dass der Stöpsel gezogen und die Universität Basel auf den trockenen Boden der Tatsachen gesetzt wird. Dass sie sich ihrem humanistischen Ursprung besinnt und sie, wie in ihrem Leitbild aufgeführt, zu gesellschaftlichen Problemen und Missständen Stellung nimmt.
Bild: Offener Hörsaal