Gedanken zu Daniele Ganser – ein Kommentar

Er ist smart, eloquent, nebenbei gutaussehend und hat einen Doktortitel. Ein Schweizer Richard David Precht: Daniele Ganser. Bei so vielen Vorzügen ist es völlig abwegig, anzunehmen, dass ein solcher Prachtkerl nicht die reine, pure Wahrheit spricht. Von Bruno Hunn

Er erscheint, wenn nicht wie Jesus, dann doch sicher einem Luther gleich, in unserer von Ungewissheiten und Polykrisen erschütterten Zeit und bietet Erlösung an. Bloss: Seine Redemptio ist eine Lüge. Ganser, getrieben von purem, schnödem ökonomischem Interesse und sich selbst ergötzend an der Anbetung durch seine Jünger, bietet nichts als Irreführung, Spaltung und Verwirrung an. Sein Erfolg basiert auf dem Success-Rezept eines jeden guten Lügners; der Vermischung von einem Körnchen Wahrheit mit einer Geschichte der Unwahrheit.

Dabei ist Ganser nicht einmal originell. Er plappert die Lügen der russischen Propaganda nach und präsentiert seinem ab so viel Unterkomplexität beinhaltendem Stoff beinahe ekstatischen Publikum die ihm bereits geläufigen Verschwörungstheorien. Daniele Ganser tarnt diese Vorgehensweise mit seinem Doktortitel, der diesem Händler der Schwindeleien auf dem Basar der Lügner, Leichtgläubigen und Verzagten als Qualitätsmerkmal seiner kruden Theorien dient.

Weiter tarnt dieser Meister der verdrehten Tatsachen seine das Gift der Demokratiegefährdung versprühenden Meinung durch das False Balance-Prinzip: Ganser bietet seinen Lügensumpf als gleichwertige Alternative zu den gesicherten Fakten an und hofft, sich in der Mitte dieser beiden Argumentationslinien auf einen Konsens zu einigen. Als gute Schweizer, geübt in der Demokratie seit 700 Jahren, und als seit 1945 geläuterte Deutsche erscheint uns ein Kompromiss als höchste demokratische Errungenschaft. Was kann also an Gansers Begehren falsch sein; die goldene Mitte ist ja per se der Königsweg?

Ganz simpel: Es gibt zur Wahrheit keine Alternative ausser der Lüge. Fakten sind nicht verhandelbar, sie sind wahr oder unwahr. Ein bisschen wahr oder ein wenig falsch geht in dieser Kategorie nicht. So kann auch kein Konsens zwischen Gansers Verschwörungstheorien und den wissenschaftlichen Erkenntnissen hergestellt werden, da die Letzteren die Ersteren ausschliessen und umgekehrt. 

Aber selbst wenn seine Meinung nichts anderes ist als das, nämlich eine Meinung, keine Wissenschaft, dann schwebt da immer noch der Doktortitel wie ein Mittel zur Absolution mit beinahe katholischem Wahrheitsanspruch einem Heiligenschein gleich über dem Ganserschen Haupt. Ist der Mann nicht promovierter Historiker und spricht über ein historisches Ereignis? Ja, das ist er und ja, das tut er. Bloss: Noch nie hat ein Doktortitel in irgendeinem Feld jemanden zum Experten über alle Bereiche seiner Disziplin gemacht. Ganser, der mit Lügen jonglierende Gaukler, beherrscht weder das Russische, noch ist er des Ukrainischen mächtig.

Schon aufgrund dieser Tatsachen kann er die Thematik, über die er sich mit Wonne auslässt, gar nicht tief genug ergründen, um relevante Erkenntnisse zu gewinnen. Dieser methodische Mühlstein um seine Schwindeleien versprühende Kehle wird von der Tatsache sekundiert, dass er sich bisher nie mit der osteuropäischen Geschichte im wissenschaftlichen Kontext auseinandergesetzt hat. Er kennt sowohl die Länder als auch deren Geschichte, Kultur und Politik nicht. Vor allem von der Ukraine versteht Ganser nichts und macht sich noch nicht einmal die Mühe, sich Wissen durch die Lektüre der einschlägigen Fachliteratur anzueignen, die mittlerweile leicht zugänglich ist.

Aus all diesen Mängeln zu schliessen, man habe es mit einem Prahlhans oder gar Narren zu tun, der durch eine unglückliche Laune des Schicksals an die Oberfläche der Öffentlichkeit gespült wurde, wäre dennoch fatal. Ganser ist die Schlange im Paradies, der Wolf im Schafspelz, Sauron in Tolkiens Auenland. Getrieben vom Mammon verbreitet er seine Halbwahrheiten und vollwertigen Lügen, um möglichst viel Profit zu generieren: Mit seiner Website verdient er mindestens € 182’500.- pro Jahr, bei einem durchschnittlichen Ticketpreis von € 30.- und 2’500 Besuchern generiert ein Abend vor Publikum € 75’000.-. Der wahre Preis, den die Gesellschaft zahlt, ist ihre Spaltung, vorangetrieben von Dr. Daniele «ich bin vom Fach» Ganser.

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Titelbild: Pixabay

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