„Dann mach ich halt ein OnlyFans!“ ist das neue „Dann werde ich halt Stripperin“. Ein Spruch, den ich im letzten Jahr ziemlich oft gehört habe. Fast genauso oft wie den Ratschlag: „Du solltest unbedingt ein OnlyFans machen – damit könntest easy viel Geld verdienen!“ Interessanterweise kommt dieser Rat ausschliesslich von Männern, die Sexarbeit eigentlich nur „von aussen“ kennen. Das fühlt sich dann ungefähr so an, als wollte mir ein Schweizer erklären, wie man die Fussball Europameisterschaft gewinnt. Von Amber Eve

Hinter beiden Aussagen steckt die Vorstellung, dass Sexarbeit leicht verdientes Geld ist – vor allem online. Alles anonym, ein paar Füdlibilder posten, und schon flattert das Geld herein. Aber ist das wirklich so? Warum zählt OnlyFans eigentlich als Sexarbeit? Und was braucht es wirklich, um damit auch längerfristig erfolgreich zu sein?

Für alle, deren Vergnügungssucht im Lockdown andere Kanäle fand, und die jetzt nicht wissen, worum es eigentlich geht: OnlyFans ist eine online Plattform, auf der User einen bestimmten Betrag zahlen, um Zugang zu exklusivem Content eines Creators zu erhalten. Diese Inhalte erstrecken sich von sexy Bildern bis hin zu Pornos und Livestreams, sind aber im Gegensatz zu anderen Plattformen wie zum Beispiel Patreon mehrheitlich erotischer Natur. Während die schon lange existierenden Seiten für CamGirls hauptsächlich mit Livestreams und Chats arbeiten, bietet OnlyFans schlichtweg mehr Möglichkeiten, Inhalte zu teilen und eine grössere Bandbreite an Followern um sich zu scharen. Im letzten Jahr haben Seiten wie OnlyFans einen massiven Zulauf erfahren, und für viele Sexarbeiter*innen wie Stripper*innen und Escorts war es sogar die einzige Möglichkeit, in der Corona-Krise den Kopf über Wasser zu halten. Überall sieht man auf Social Media Aufrufe zu „Follow me on OnlyFans“ und „Link in Bio“ – also: Klicke auf den Link in meinem Profil und melde dich kostenpflichtig an, wenn du mehr sehen willst.

Und plötzlich wird Sexarbeit salonfähig – zumindest die online Variante. Models, Influencer*innen jeder Art – und vielleicht auch deine Nachbarin – haben plötzlich OnlyFans für sich entdeckt. Laut werden Freizügigkeit, „Hoe Life“ und die Enttabuisierung vom erotischem Modeln proklamiert und es scheint, als ob jeder plötzlich auf den Kommerz-Zug ins Land der Nacktbilder aufspringt.

Ob ich das fair finde? Instagramsternchen, die Profit aus etwas schlagen, das für andere die einzige Möglichkeit ist, überhaupt Geld zu verdienen? Kurz gesagt: mehr Konkurrenz.
Die einfache Antwort ist Ja. Wir leben in einer freien Marktwirtschaft, und wer Content macht, darf ihn auch anbieten – egal ob das nun Füdlibilder, Makeup Tutorials oder Häkelanleitungen sind. Problematisch wird es für mich erst dann, wenn Toleranz und Freizügigkeit gepredigt werden und darunter trotzdem Arroganz und „Ich habe zwar ein OnlyFans, bin aber immer noch besser als andere Formen von Sexarbeiter*in“ stecken. Und ich glaube auch daran, dass guter Content sich durchsetzen wird, und an der ersten Haltestelle bereits all diejenigen wieder aussteigen werden, die nicht realisiert haben, dass Sexarbeit eben doch nicht easy money ist. Jeder, der langfristig erfolgreich sein will, braucht ein bisschen mehr als nur heisse Bilder.
Ob du jetzt selbst ein OnlyFans starten willst oder einfach nur neugierig bist, das sind für mich die Faktoren, die man als ambitionierter Content Creator berücksichtigen sollte:

  1. Warum sollte jemand genau dir folgen?
    Bilder von schönen Menschen gibt es mehr als genug – ganz besonders im weltweiten Netz. Warum also sollte jemand regelmässig dafür zahlen, um genau dich anzusehen? Dein potenzielles Klientel ist oftmals an einem ganz persönlichen, individuellen Aspekt von dir interessiert, und genau deshalb sollte auch dein Content darauf ausgerichtet sein. Auch der ideale Körper wird schnell langweilig – good news für alle, die glauben sie müssten Perfektion bieten. Es ist die Geschichte dazu, die ihn auch langfristig interessant macht. Überleg dir genau, warum jemand dir folgt: welche Art von Fantasie willst du verkaufen, was ist dein Brand? Jeder Post erzählt eine Geschichte, und die muss erzählt werden.
  2. Qualität und Quantität
    Poste viel, und poste regelmässig. User verlieren schnell das Interesse wenn sie spüren, dass du wenig Energie in deine Plattform investierst. Es müssen nicht immer professionelle Shootings sein – auch ein Selfie kommt manchmal gut an, da es privater und realer wirkt. Wichtiger ist, das Gefühl zu vermitteln, dass deine Follower viel für ihr Geld bekommen, und du mindestens so aktiv auf der Plattform bist wie sie selbst. 
  1. Hustle. Hustle. Hustle.
    Mach Werbung für deine Seite. Und zwar immer und immer wieder – auch wenn du glaubst, mittlerweile wüssten alle, dass es da einen heimlichen Ort mit wundervollen Exklusivitäten von dir gibt. Hustle – und zwar mit Handicap. Seiten wie Instagram folgen nämlich einem Algorithmus, der Ausdrücke wie „OnlyFans“ oder „Link in Bio“ in deinen Posts und Storys aufspürt und User auf die rote Liste setzt, die damit Werbung machen. Grundsätzlich finde ich die Zensur auf Social Media ja ganz praktisch – wer Nippel sehen will, soll auch dafür zahlen. Dass meine Inhalte oftmals nicht angezeigt oder sogar gelöscht werden, wenn sie zu freizügig wirken, ist aber ein grosses Hindernis beim Bewerben meiner Fanseite. Genau deshalb funktioniert ein OnlyFans eben auch viel besser, wenn bereits ein grosses Following auf Social Media existiert. Mach Werbung – und balanciere dabei auf dem schmalen Grat zwischen „potenzielle Klienten durch sexy Inhalte anwerben“ und „zuviel zeigen und dadurch gebannt werden“. Good Luck!
  2. Make your clients your best friends
    Beantworte Nachrichten, sammle Likes, gehe auf Wünsche ein und gib deinen Followern das Gefühl, dass sie dir wichtig sind. Sorge dafür, dass du die Kundschaft anziehst, die du dir wünschst, und pflege deine persönlichen Beziehungen. Ein Faktor, der masslos unterschätzt wird, und sehr viel Energie kostet. Nachrichten beantworten kann anstrengend sein und das Erfüllen persönlicher Bedürfnisse deiner Fans ist genau der emotionale Aspekt, der in meinen Augen das Betreiben einer Seite wie OnlyFans zu Sexarbeit macht. Ähnlich wie bei der Differenzierung von Burlesque zu Striptease als Sexarbeit geht es bei letzterem nämlich um den direkten Kontakt mit Klienten, mit ihren persönlichen Bedürfnissen und Fantasien und dir als Mensch, der diese gegen einen Aufpreis entfachen erfüllen soll.
  3. Keep it fresh 
    Erfinde dich immer wieder neu. Jemand, der dir auf einer Fanpage folgt, weiss ziemlich schnell, wie du ohne Hose aussiehst – um wirklich erfolgreich zu sein, muss du dir also regelmässig etwas Neues einfallen lassen. Immer wieder mit anderen Fotografen zu arbeiten, neue Ideen und Looks zu kreieren und deine User auf dem Laufenden zu halten ist nicht einfach und sicher ein Grund dafür, warum manche Fans lange Zeit bleiben und andere schnell wieder abspringen.

Und ich selbst? Habe eine Seite auf Patreon, die ich liebevoll pflege. Weil mir die Plattform ein bisschen mehr Spielraum bietet, um neben erotischen Bildern und Videos auch Kurzgeschichten, Comedy und andere sexy Projekte zu teilen. Damit erreiche ich vielleicht eine kleinere Zielgruppe als auf OnlyFans – aber dafür auch eine wundervolle Community von Fans, die genau das wollen, was ich anbiete, und auf deren Unterstützung ich schon seit Anfang 2020 dankbar setzen kann. Neugierig? #linkinbio

Beitragsbild: Amber Eve

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