Ein kritischer Essay über Uni-Rankings und ein Plädoyer für die Alma Mater Basiliensis. Von Oliver Sterchi
Willkommen an der besten Universität der Welt», pflegte der ehemalige Basler Rektor Antonio Loprieno bei seiner Begrüssungsansprache an die neuen Erstsemester in der Aula jeweils zu sagen. Diese Formulierung liess die Studierenden im Saal aufhorchen: «Echt jetzt, die beste Uni der Welt?!» Ungläubig schüttelten viele den Kopf. «So ein Quatsch!».
Denn, und das wissen wir alle, die besten Unis der Welt liegen nicht am Rhein, sondern in Übersee: Harvard, Yale, Oxford und Cambridge: Die angelsächsischen Hochschulen dominieren die einschlägigen Rankings und werden in den Medien und im öffentlichen Diskurs gemeinhin als «Eliteuniversitäten» bezeichnet.
Die Uni Basel spielt gemäss diesen Rankings zwar auch in der globalen Champions League der Wissenschaft, verfügt aber bei weitem nicht über dasselbe weltweite Renommee wie die Konkurrenten jenseits des Atlantiks respektive des Ärmelkanals. Dasselbe gilt mit Ausnahme der beiden ETH auch für die übrigen Schweizer Universitäten.
Doch warum ist das überhaupt so? Und sind die Unis in Basel, Bern oder Zürich tatsächlich «schlechter» als die Hochschulen in Boston, London oder New York? Um diese beiden Fragen zu beantworten, muss man sich erstmal genauer mit der Methodik der einschlägigen Rankings auseinandersetzen.
Wettbewerbsvorteil für angelsächsische Unis
Eine komplexe Institution wie eine Universität nach objektiven Kriterien zu bewerten, ist nicht so einfach. Was soll man messen? Die Anzahl Nobelpreise, welche die Angehörigen der Hochschule gewonnen haben? Der Drittmittelertrag pro Studierenden oder Dozierenden? Die Anzahl zitierter Forschungsergebnissen in bestimmten Journals? Oder – etwas gar schwammig – die Reputation der Uni in der Scientific Community oder bei Arbeitgebern? Und wie sind diese Kriterien in der Endauswertung zu gewichten?
Einheitliche Richtlinien dafür gibt es nicht. Jedes Ranking hat seine eigene spezifische Methodik und liefert entsprechend eigene Resultate, die mitunter stark divergieren können. Man kann solche willkürlichen Bewertungsmassstäbe nun sinnvoll finden oder nicht. Eines ist jedoch offensichtlich: Die einschlägigen Rankings fokussieren stark auf den Bereich Forschung, wobei die angelsächsischen Universitäten in bestimmten Fällen einen unlauteren Wettbewerbsvorteil geniessen.
Die wichtigsten Hochschul-Rankings werden nämlich von Medien und Instituten erstellt, die entweder aus den USA, Grossbritannien oder anderen Teilen der englischsprachigen Welt stammen.
Daraus ergibt sich eine zweifache Wettbewerbsverzerrung: Einerseits berücksichtigen diese Rankings bei der Bewertung von Forschungsleistungen zumeist ausschliesslich englischsprachige Publikationen, wobei hier die europäischen Universitäten insbesondere im Bereich der Geisteswissenschaften das Nachsehen haben. Andererseits bevorzugen die Analysten bewusst oder unbewusst die ihnen nahestehenden Hochschulen aus dem angelsächsischen Raum.
Basel vor Princeton
Diese These lässt sich anhand eines einfachen Ranking-Vergleichs belegen: Fächert man das Academic Ranking of World Universities 2017 nach akademischen Disziplinen auf, ergibt sich folgendes Bild: Im Fach Soziologie etwa ist die angelsächsische Dominanz erdrückend. In den Top 10 finden sich ausschliesslich Universitäten aus den USA, wobei die Liste von Harvard angeführt wird.
Erst auf Rang 30 kommt mit der Universität Amsterdam die erste Hochschule, die nicht in einem englischsprachigen Land steht. In diesem Stil geht es weiter: Von den 100 «besten» Unis im Fach Soziologie listet das Ranking 81 (!) Institutionen im angelsächsischen Raum auf. Die Schweizer Unis haben es erst gar nicht in diese Top 100 geschafft.
Betrachtet man jedoch die Naturwissenschaften, zeigt sich ein völlig anderes Bild. Im Fach Mathematik etwa trumpfen die französischen Unis auf. Die beiden Pariser Universitäten Pierre et Marie Curie und Paris Sud belegen in diesem Fach die Ränge drei und fünf – vor Cambridge, Oxford und Harvard.
Die ETH Zürich schafft es auf Rang 20, die Uni Genf auf Rang 37. Überhaupt ist die Top 100 im Fach Mathematik europäisch dominiert. Ganze 40 Institutionen schaffen es in die globale Spitzengruppe. Zusammen mit den aussereuropäischen Universitäten aus Asien und dem Nahen Osten stehlen sie damit den Briten und Amerikanern die Show.
Ähnlich sieht es auch bei den Life Sciences aus. Zwar nehmen die angelsächsischen Universitäten auch in diesem Bereich Spitzenplätze ein, doch fallen deren europäischen und asiatischen Konkurrenten keineswegs ab – im Gegenteil. In den Top 50 finden sich viele deutsche, niederländische und französische Universitäten. Die Uni Zürich darf sich mit Rang 27 schmücken, die Uni Basel immerhin mit Rang 45. Die beiden Schweizer Hochschulen lassen damit auch vielgepriesene US-Eliteuniversitäten wie Berkeley, Chicago oder Princeton weit hinter sich.
Blockbuster vs. Kultkino
Ein Blick auf die anderen massgebenden Uni-Rankings erhärtet die These: Europäische Hochschulen werden im Bereich der Geisteswissenschaften «diskriminiert», weil die Forschenden bevorzugt in ihrer Muttersprache publizieren und damit in internationalen Bewertungen ihrer Arbeit oft wenig Beachtung finden.
Dass die Forschungsstärke der hiesigen Unis aber keineswegs hinter diejenige der angelsächsischen Konkurrenz zurückfällt, beweist der Blick auf die Rankingergebnisse in den Naturwissenschaften, wo auch die europäischen Forschenden meist auf Englisch publizieren. Zu den methodischen Unebenheiten kommt aber noch eine andere Verzerrung hinzu, die ich bereits weiter oben erwähnt habe: die Wahrnehmung.
In diesem Sinne ist Harvard ein Hollywood-Blockbuster, die Uni Basel eher so europäisches Kultkino. Ob das eine besser ist als das andere, mag jeder für sich entscheiden.
Wir leben heute in einer angelsächsisch dominierten Welt. Die globale Lingua Franca ist Englisch. In der Popkultur geben die USA sprichwörtlich den Ton an. Google, Apple, Facebook, McDonalds, Coca Cola – amerikanische Technologien und Konsumgüter beherrschen den Weltmarkt. Der «American Way of Life» hat nicht nur die westliche Kultur im 20. Jahrhundert massgeblich geprägt.
Hinzu kommt die Rolle der USA als globale wirtschaftliche und politische Supermacht. Diese Hegemonie spiegelt sich folgerichtig auch in der Wissenschaft. Jeder hat schon einmal von Harvard und Princeton gehört, auch wenn diese Unis in einigen Bereichen hinter weniger bekannte Hochschulen zurückfallen.
Es ist ein Stück weit eben auch die massive mediale Präsenz und der angelsächsisch dominierte globale Wissenschaftsdiskurs, die den «einheimischen» Unis zu einer weltweiten Reputation verhelfen. In diesem Sinne ist Harvard ein Hollywood-Blockbuster, die Uni Basel eher so europäisches Kultkino. Ob das eine besser ist als das andere, mag jeder für sich entscheiden.
Aufstieg in der Nachkriegszeit
Bei allen Relativierungen: Die angelsächsischen Universitäten leisten unverkennbar wichtige Beiträge für die Wissenschaft. Aber das tun kontinentaleuropäische und asiatische Hochschulen auch, ohne dass sie dieselbe globale Wahrnehmung geniessen.
Dass die Reputation von Universitäten oft mit einer politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Hegemonialstellung ihrer jeweiligen Trägergesellschaften einhergehen, beweist auch ein Blick in die Geschichte: Waren es im Hoch- und Spätmittelalter die italienischen und französischen Universitäten, die als führend galten, so verschob sich diese Gewichtung im 18. und insbesondere im 19. Jahrhundert in den deutschsprachigen Raum.
Die amerikanischen Unis hingegen errangen ihre globale Bedeutung erst in der Nachkriegszeit – massgeblich bedingt durch die vielen Immigranten aus der europäischen Intelligenzija und die massiven Summen, welche die US-Regierung im Kalten Krieg in die Forschung (insbesondere in die Rüstungs- und Weltraumtechnologie) investierte, um die Sowjetunion in diesem Bereich zu übertrumpfen.
Bedenklicher Zeitgeist der Moderne
Rankings hin oder her: Die Qualität einer Universität lässt sich keineswegs auf Evaluationen reduzieren, die einem bedenklichen Zeitgeist der Moderne entsprechen, alles und jeden zu messen, zu klassifizieren und einer kapitalistischen Logik der Leistungsoptimierung zu unterwerfen. Ich bezweifle stark, dass eine Uni für Studierende automatisch «bessere» (was auch immer das bedeuten soll) Bedingungen bietet, nur weil sie in diesem oder jenem Ranking weiter oben steht.
Wichtiger ist viel mehr, was für ein Umfeld zur intellektuellen und akademischen Selbstentfaltung man an einer Hochschule vorfindet. Interessante Lehrveranstaltungen, Dozierende, die einem mit ihrer glühenden Begeisterung für die Sache anstecken, angeregte Diskussionen mit Mitstudierenden – auf diese Dinge kommt es an.
Nach knapp sechs Jahren an der Uni Basel und Abstechern nach Krakau und Heidelberg kann ich ohne Übertreibung behaupten: Ja, wir studieren an der besten Universität der Welt.
Bild: Das Kollegienhaus am Petersplatz. Quelle: Universität Basel / Christian Flierl