Playfight – kämpfe, spiele und verbinde dich mit dir selbst und deinen Mitmenschen

Seit Sommer 2023 existiert im Rahmen von Rheinbow ein einzigartiges Angebot in Basel: Playfight. Diese Sportart verbindet Kampf, Spiel, Achtsamkeit sowie Körperbewusstsein. Wer Playfight praktiziert, verbindet sich mit einer uns ursprünglichen, jedoch oft verdrängten Seite, die dabei hilft, die Kraft des Körpers und die Weisheit der Gefühle wiederzuentdecken. Bericht eines Selbstversuches. Von Florian Zoller

Gerauft mit meinen Mitmenschen habe ich mich nie wirklich: Als Kind wich der gesunde Wettkampf der «Spasskämpfe» leider allzu oft einer toxischen Konkurrenz. Sie verkamen schnell zu einem bitteren Ernst, der zu überbordenden Aggressionen führte und ungesunde Hierarchien in den Klassenverbänden zementierte. Deshalb bin ich der körperlichen Auseinandersetzung mit meinem gleichaltrigen, männlichen Kollegen immer ausgewichen: Eine «Niederlage» hätte soziale Konsequenzen gehabt. Doch wie sieht es als Erwachsener bei mir aus? Allein die Idee, mich mit einer mir fremden Person zu raufen, d. h. diese zu berühren bzw. von dieser berührt zu werden, löst sehr viel Unbehagen aus. Offensichtlich scheint es Blockaden in meinem Kopf zu geben, sobald es um gemeinsame körperliche Aktivitäten geht. Darum war es zeitgleich mutig und waghalsig von mir, mich in einem Playfight zu messen – und dies noch mit Bryan Peters, die wohl erfahrenste Person im Raum Basel, wenn es um Playfight geht.

Doch was ist dieses Playfight? Bryan Peters, diejenige Person, welche dieses Angebot als Einziger in Basel anbietet und die Sportart vor fünf Jahren kennenlernte, definiert Playfight als ein «spielerisches Raufen, in welchem Spielfreude, Eigenverbindung, aber auch die Beziehung mit dem Gegenüber im Vordergrund stehen.» Vordergründig geht es darum, sein Gegenüber auf das Schulterblatt zu legen. Doch es geht um viel mehr als ums Gewinnen: «Spielerisches Raufen können wir in der Natur bei Hunden, Vögeln, Kindern, ja sogar Insekten beobachten. Genutzt werden diese Formen der sozialen Interaktion als eine Art Lernprozess. Leider beobachten wir in unseren Breitengraden zunehmend die Tendenz, auf diese Lernform zu verzichten, diese gar zu verbieten. Dies führt dazu, dass Menschen je länger, je mehr von ihrem Körper und ihrer Lebendigkeit abgeschnitten werden. Doch für Kinder ist das Raufen ein wichtiger Weg, um Körperbewusstsein zu entwickeln, die eigenen Grenzen zu erforschen und zu setzen sowie diejenigen von anderen zu respektieren. Als Erwachsene sollten wir dieses Körperbewusstsein nicht verlernen.»

Hier ist Bryan von Matteo Tangi, Initiator von playfight.org, geprägt, welcher Playfight in seinem Handbuch als «eine Rückkehr zu etwas Ursprünglichem, das tief in uns verwurzelt ist» beschreibt. Das Rückgrat des Playfight nach Matteo Tangi bilden seither vier Rituale: 1. Die Einladung, 2. Die Begegnung, 3. Der Playfight, 4. Das Feedback. Begleitet werden diese Rituale von Körperbewusstseinsübungen und Spielen.

So kann Playfight nicht nur einen Beitrag gegen Bewegungsarmut, sondern auch gegen Misstrauen leisten. Wir tauchen mit unserem gesamten Wesen in Beziehung und erforschen die Verbindung mit einem Gegenüber, basierend auf Vertrauen und dem Respekt vor Grenzen. Welche Bewegungs-Antworten erhalte ich? Und wie reagiere ich wiederum darauf? Bryan beschreibt dies als «eine Form von Tanz mit dem Ziel, das Gegenüber auf die Schulterblätter zu pinnen. Das ist aber nur die grobstoffliche Ebene. Auf der feinstofflichen Ebene geschieht das, was wir Beziehung bzw. Verbindung nennen: Im Kern das, wonach sich jedes menschliche Wesen sehnt.»

So leiste Playfight einen Beitrag, auch für queere Menschen, mehr Vertrauen in die eigene Bewegungsentfaltung und gibt Erlaubnis für ein wahrhaftes Eintauchen in den Körper, erklärt Bryan: «Meine Erfahrung ist es, dass je mehr ich in meinem Körper beheimatet bin, desto mehr innerliche und äußerliche Klarheit erlange ich. Ich treffe dann stimmigere Entscheidungen und kann für mich geradestehen.» Playfight sei aber eine non-sexuelle Praxis, in der zwar alle Gefühle – somit auch sexuelle Gefühle – willkommen seien, es aber darum gehe, dem Beziehungsgegenüber als Wesen – fern irgendeiner Identität – zu begegnen. «Da es im Playfight zentral ist, sich immer wieder mit sich selbst, also seinem inneren Kern zu verbinden, rücken Identitäten für mich mehr und mehr in den Hintergrund. So spielt es für mich keine Rolle mehr, mit welchem Wesen ich mich spielerisch raufe», so Bryan. «Playfight konfrontiert uns auch mit unserem eigenen Wertesystem, unseren eigenen Grenzen und unseren unbewussten Anteilen. So können am Anfang Verunsicherung, Ängste oder Scham auftauchen – eine Verunsicherung im Körperkontakt oder die Scham vor einem ‚Gesehen zu werden‘? Vieles kann durch die erlebte Beziehungserfahrung – in Form von Spielen, Übungen, Körperwahrnehmung – zum Positiven verändert werden.»

Seit Sommer 2023 bietet Bryan, von Beruf Körper- und Bewegungstherapeut, im Rahmen von Rheinbow ein Mal im Monat Playfight an, mit dem Ziel, gemeinsam Spass, Spielfreude, Neugierde und Lebendigkeit zu erleben. Das bisherige Feedback war sehr positiv. Nun hofft Bryan, dass das Angebot rege genutzt wird und hat folgende Botschaft an neugierige Menschen: «Als queerer oder non-queerer Mensch kann dir Playfight eine neue Beziehungserfahrung ermöglichen, und zwar stets unter Wahrung deiner eigenen Grenzen.» Und falls die Hürde für ein Playfight im Circle doch zu hoch sein sollte, gibt es noch das sogenannte «Prozess Playfight», wo in einer Einzelsession die Grundlagen von Playfight erlernt werden und in therapeutischer Begleitung exploriert wird, wo Blockaden und Glaubensmuster zu wandeln sind. In dem anschliessenden Eins-zu-Eins-Playfight mit Bryan widmest du dich der Frage: «Wie gelingt es mir, voll und ganz in meine Kraft und Lebendigkeit einzutauchen?»

Und was nehme ich aus meiner ersten Playfight-Erfahrung mit, die ich im Eins-zu-Eins mit Bryan erleben durfte? Dass die anfänglich zögerliche Haltung allmählich einer Freude am Raufen sowie einem gesunden Ehrgeiz, mein Gegenüber zuerst auf den Rücken zu pinnen, wich. Dass ich mit Erstaunen feststellen durfte, welche Kraft in meinem schmächtig wirkenden Körper steckt. Dass ich, obschon am Ende es Bryan war, der mich zwei Mal auf den Rücken zu pinnen vermochte, nicht unglücklich über diese „Niederlage“ war, denn die ganze Session war stets von gegenseitigem Respekt und Vertrauen geprägt. Und dass ich die Lust verspürte, mich auch in Zukunft mit Mitmenschen zu raufen – und es vielleicht das nächste Mal vermag, Bryan zuerst auf den Rücken zu pinnen.

Playfight in 30“

Playfight
E-Mail: info@bryanpeters.ch
Website (Bryan Peters): https://bryanpeters.ch/playfight/
Website (Rheinbow): https://lgsportbasel.ch/sportangebot/playfight
Facebook: https://www.facebook.com/bryanpeters.ch

Beitragsbild: Bryan Peters

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