Neurofeedback Training – Placebo oder Therapie?

Der Hype um das aufkommende Forschungsgebiet der Neurowissenschaften – Neues Wissen, neue Techniken, neue Verfahren. Was bieten neue Therapietechniken wie Neurofeedback wirklich? Eine Analyse am Beispiel der Schizophrenie. Von Anja Blaser

Neuro-Was? Neurowissenschaften ist vielen noch ein Fremdwort. Nach und nach nimmt dieser Begriff, welcher die naturwissenschaftlichen Forschungsbereiche rund um Aufbau und Funktionsweise von Nervensystemen bezeichnet, an Bedeutung zu und mit ihm auch die Wichtigkeit der neusten Technologien und Verfahren aus dieser Disziplin. Dazu gehört auch das Neurofeedback.

Neurofeedback ist ein computergestützter psychophysiologischer Prozess, welcher eine Reihe an Techniken zur Erlernung einer besseren Selbstregulation umfasst. Dabei wird dem Patient*innen ein Feedback über die neuronale Aktivität gegeben, um diese anschliessend zu optimieren. Dies geschieht mithilfe der Elektroenzephalografie (EEG), der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) und weiteren bildgebenden Verfahren. Beim EEG wird die Aktivität der Pyramidalzellen an der Kopfhaut mit Elektroden gemessen. Dabei sind unterschiedliche Frequenzbänder zu beobachten, welche mit unterschiedlich starker Aktivität korrelieren. So treten niederfrequente Wellen wie Delta (0.1-4Hz) und Theta (4-8Hz) bei unterschiedlichen Entspannungsstadien und Alpha (8-13Hz), Beta (13-20Hz) und Gamma (>30Hz) bei zunehmender Konzentration auf. Beim fMRT wird anhand des Volumens des Sauerstoffs, welches je nach Aktivität variiert, die Magnetstärke des Hämoglobins gemessen, da diese sich verändert je nachdem, ob Sauerstoff gebunden ist oder nicht.

Vom Labor in die Klinik

Durch solche Techniken kann es während NF-Trainings zu spezifischen Verhaltensänderungen kommen, welche im klinischen Bereich wertvoll sein könnten. Während solchen Trainingseinheiten werden die EEG oder fMRT Daten beim Patient*innen gemessen und direkt, meist visuell, präsentiert. Das heisst beispielsweise in Form von einem fliegenden Vogel auf dem Bildschirm. Die Bewegungen rauf und runter repräsentieren dementsprechend dann die Regulierung der Aktivität eines Frequenzbandes oder einer spezifischen Gehirnregion.

Bis vor einigen Jahren war der klinische Nutzen dieser Methode jedoch noch umstritten, gewinnt aber in jüngster Zeit vermehrt an Aufmerksamkeit. Denn bisherige Studien weisen zwar auf kontroverse Ergebnisse bezüglich der Wirkung des NFs als Therapie oder Placebo beispielsweise auf Patient*innen mit ADHS, Alzheimer oder Schizophrenie hin. Andererseits beinhaltet das NF als nicht invasives Verfahren ein immenses Potential, da es den Medikamentenbedarf unterstützen oder gar reduzieren könnte. Weiter könnte es besonders bei sehr komplexen Störungen, wie der Schizophrenie, eine neue Tür öffnen, um den Betroffenen zu mehr Lebensqualität zu verhelfen.

Das Mysterium namens Schizophrenie

Über eine Behandlung der Schizophrenie durch NF ist bisher jedoch wenig bekannt. Bei einer Schizophrenie handelt es sich um eine psychische Störung, bei der sowohl Gedanken als auch Wahrnehmungen der Betroffenen verändert sind. Weiter weichen auch Gefühle, Sprache und das Erleben der eigenen Person sowie die Wahrnehmung der Umgebung stark vom Erleben gesunder Menschen ab. Jedoch gibt es eine ganze Reihe an unterschiedlichen Schizophrenietypen, welche in Altersgruppe, Verlauf und Behandlung variieren. Zu den Kernsymptomen der Schizophrenie zählen auditiv verbale Halluzinationen (AVH), welche zu den positiven Symptomen gehören. 25% aller Patient*innen mit Schizophrenie leiden an antipsychotika-resistenten Halluzinationen und können so nicht die bevorzugte Behandlung in Anspruch nehmen. Hinzu kommen negative Symptome, wie verminderter Gefühlsausdruck, Anhedonie und weitere, welche ebenso nicht mit Neuroleptika behandelt werden können. Eine alternative Behandlungsmethode wäre somit sehr gefragt. Doch hat ein NF-Training überhaupt eine Wirkung?

Mehr Wohlbefinden durch Individualität

Um diese Frage beantworten zu können, muss es zunächst überhaupt Veränderungen der Gehirnaktivität bei Menschen mit Schizophrenie geben. Frühere Forschung berichtet hierzu bei negativen Symptomen eine verminderte Alpha-Power und erhöhte Delta- und Theta-Aktivität in einigen Gehirnregionen. Weiter zeigten sich Unterschiede in Frequenz und Power zwischen Männern und Frauen. Neuster Literatur zufolge kann ein NF-Training mit EEG mit und ohne visuelles Feedback zu Unterschieden in entsprechenden Gehirnregionen führen und die negative Symptomatik reduzieren. Dies hält laut Berichten auch nach dem Training noch an, wodurch sich das Befinden der Patient*innen verbessert. Die Erfolge auch ohne Feedback sprechen dafür, dass die Strategien nach einigen Trainings ohne Instruktion eingesetzt werden können, wodurch die gelernte Selbstregulierung in den Alltag übertragen werden könnte. Demzufolge können die Patient*innen selbst die Therapieform individualisieren, indem sie eigene Strategien zur Veränderung entwickeln.

Von ADHS zu Schizophrenie

Ob die Ursache dafür das NF oder reines Placebo ist, wurde bis anhin mit schizophrenie-erkrankten Personen nicht untersucht. Diesbezüglich lassen sich zu diesem Zeitpunkt nur Spekulationen aufstellen über Forschungsergebnisse komorbider Krankheiten oder Krankheiten, welche der Schizophrenie ähneln. So ist bekannt, dass Schizophrene beispielsweise ähnliche strukturelle Veränderungen im limbischen System, der Region für Emotionsverarbeitung und Triebverhalten, wie ADHS Patient*innen aufweisen, welches eine wichtige Rolle in der Emotionsregulation spielt. Da bisher fast ausschliesslich Forschung über einen möglichen Placeboeffekt durch NF an ADHS Patient*innen durchgeführt wurde, kann diese Verknüpfung genutzt werden, um die Ergebnisse auf Patient*innen mit Schizophrenie zu übertragen und so erste Vermutungen der Wirkung eines NF-Trainings bei Schizophrenen mit negativen Symptomen aufstellen zu können. Studien mit ADHS-Patient*innen zeigen jedoch im Vergleich zu Kontrollgruppen zum Grossteil keine Effekte, welche auf das NF-Training zurückzuführen sind. Daraus lässt sich die Vermutung ableiten, dass ein NF-Training wahrscheinlich ebenfalls bei negativen Symptomen der Schizophrenie nicht mehr hilft als reines Placebo.

Potential für Halluzinationen

Auch mit alternativen Behandlungsmethoden von AVH befassten sich in der Vergangenheit nur wenige. Forscher*innen versuchten das Training auf wichtige sprachliche Regionen in der linken Hemisphäre, wie dem inferioren frontalen Gyrus (IFG) und dem posterioren superioren temporalen Gyrus (pSTG) zu lenken. Die Ergebnisse deuten auf eine positive Wirkung des NF bei AVH hin. Die untersuchten sprachlichen Regionen könnten somit eine wichtige Rolle bei der Einschätzung von internal und external erzeugtem sprachlichen Material spielen. Durch deren verringerte Kopplung bei schizophrenen Patient*innen kommt es zur unkontrollierbaren Einschätzung darüber und folglich zur Entstehung von AVH. Patient*innen berichten auch noch Wochen nach der Intervention im Vergleich zu Kontrollprobanden eine subjektiv verbesserte Kontrollierbarkeit der AVH. Durch die gelernten Strategien scheinen auch langfristige Verbesserungen durch ein NF erreicht werden können.

Neue Wege für die Schizophrenie?

Somit weist Forschung zumindest auf das Potential des NF-Trainings als alternative Behandlungsmethode mit positivem therapeutischem Einfluss bei schizophrenen Patient*innen mit AVH hin.  Die Übertragung der Ergebnisse aus ADHS-Studien auf die negativen Symptome einer Schizophrenie hingegen scheint die Gegenseite zu bestärken, dass NF-Trainings nicht wirkungsvoller sind als Placebos. Jedoch sollten diese Ergebnisse mit Vorsicht betrachtet werden, da diese nicht problemlos eins zu eins für Schizophrenie übernommen werden können. Und auch im Allgemeinen steht die Forschung über NF bei Schizophrenie noch relativ am Anfang, weil bisher meist nur Fallstudien durchgeführt wurden. Das heisst an den Studien nahmen nur einzelne Probanden oder kleine Gruppen teil. Die Aussagekraft ist somit beschränkt. Dennoch sollte das NF-Training zumindest als Ergänzungstherapie nicht verworfen werden. Denn so individuell wie die Therapie durch die Strategien beeinflusst werden können, so individuell sollten auch die Rahmenbedingungen gestaltet werden. Es bestehen somit Unmengen an Variationsmöglichkeiten – in Form des Feedbacks, Dauer der Trainings, Medikation der Patient*innen sowie Schizophrenietyp. Placebo oder Therapie bleibt aber weiterhin ein ungelöstes Rätsel.

Dennoch gibt es auch einen Einblick in das Gebiet der Neurowissenschaften. Neurofeedback ist nur eine von vielen Techniken, die dieser entstammen. Denn dieses Forschungsgebiet versucht unser Gehirn sowie Nerven und die damit verbundenen Vorgänge besser in Aufbau und Funktionsweise zu verstehen, um anschliessend auch die Auswirkungen von Defekten und Störungen nachvollziehen zu können und Therapie- und Behandlungsformen mit Fachleuten aus Neurologie, Psychologie sowie Fachärzten entwickeln zu können; wie das Neurofeedbacktraining. Weiter wurde so beispielsweise die Tiefenhirnstimulation entwickelt für Parkinson-Patient*innen oder Testverfahren bei Schlaganfallpatient*innen. Da dabei oft nicht das Gehirn an sich als geschädigt und krank angesehen wird, wie auch bei der Schizophrenie. Das Gehirn beeinflusst vielmehr jegliche Prozesse und Organe, weshalb die Neurowissenschaften mit ihren klinischen Erkenntnissen in Zukunft noch für die unterschiedlichsten Erkrankungen mit neuen Techniken Hoffnung schöpfen könnten.

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