Ein historischer Rückblick zum Frauenstreik. Von Fabienne Lehmann
Heute vor genau 28 Jahren, riefen Frauen in der Schweiz das erste und seither letzte Mal zum nationalen Streik auf. Zu Tausenden bevölkerten sie öffentliche Plätze in den Städten, zogen in violetten Strömen durch die Strassen und zwangen das alltägliche Treiben zum Stillstand. Dieser Frauenstreik war die grösste politische Mobilisierung, die seit dem landesweiten Generalstreik von 1918 in der Schweiz stattgefunden hatte. Ein kurzer Rückblick auf diesen Tag soll aufzeigen, weshalb und wofür die Frauen damals auf die Strasse gingen.
Versprechen ohne Folgen
Die Schweiz ist bekanntlich keine Vorreiterin wenn es um die Emanzipation der Frau geht. Nach dem erst 1971 das Frauenstimmrecht eingeführt wurde, folgte zehn Jahre später eine Anpassung der Bundesverfassung: Die Gleichstellung von Mann und Frau war nun in den Grundprinzipien des Schweizer Staates verankert. Damit verpflichtete sich der Staat, diese Gleichstellung in allen Lebensbereichen aktiv zu fördern. Dennoch wurden seither Veränderungen zur tatsächlichen Gleichberechtigung der beiden Geschlechter von Seiten des Bundes nur sehr zögerlich umgesetzt. So dauerte es beispielsweise noch sieben weitere Jahre, bis das Eherecht revidiert wurde, damit eine verheiratete Frau ihrem Ehegatten gegenüber endlich rechtlich gleichgestellt war. Dies bedeutete unter anderem, dass eine Ehefrau nicht mehr von Gesetzeswegen dazu verpflichtet war, sich um den Haushalt zu kümmern.
Verständlicherweise war 1991 der Unmut über diesen langsamen Fortschritt immer noch sehr gross. Der erste Anstoss für einen Frauenstreik kam von Uhrenarbeiterinnen, welche ihre Unzufriedenheit über die ungleiche Lohnverteilung zwischen den Geschlechtern Kund taten. Der Gewerkschaftsbund griff diese Idee auf und forderte einen landesweiten Streik der Frauen.
„Wenn frau will, steht alles still“
So kam es, dass am 14. Juni 1991 über zehntausend Frauen für einen Tag ihrer Arbeit fernblieben. Mit beschriebenen Transparenten und Bannern schritten sie durch die Gassen der Schweiz, wo ihr einstimmig gerufenes Motto zwischen den Häusern widerhallte: „Wenn frau will, steht alles still.“
Sie verlangten den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit. Sie wollten die gleiche Behandlung und die gleichen Rechte wie der Mann auf juristischer Ebene. Sie konfrontierten den Bundesrat mit den ausstehenden Veränderungen, die seit dem Gleichstellungsartikel vor zehn Jahren ganz klar auf der politischen Agenda der Schweiz zu stehen hatten.
An diesem Tag verwehrten Frauen ihre Arbeit als Angestellte, Hausfrau oder Pflegerin, hinterliessen mit ihrem Fernbleiben Lücken und setzten dabei ein Zeichen gegen jegliche Ungleichbehandlung die ihnen auf Grund ihrer Geschlechtszuschreibung zu Teil wurde – sei es in der Wirtschaft, der Politik, im Recht, aber auch in der Wissenschaft und der Bildung, aber auch allgemein in den starren und symbolisch gewaltvollen Strukturen der Gesellschaft.
Der Frauenstreik von 1991 zeigte mit dem Finger auf Umstände, die sich damals viele nicht eingestehen wollten. Heute ist es nicht anders und es gibt nach wie vor viel Handlungsbedarf, um die Gleichstellung aller Geschlechter zu erreichen.
Nun, knapp 30 Jahre später ist es also Zeit für den zweiten nationalen Frauenstreik in der Schweiz. Eine neue violette Welle schwappt über das Land, um das Schweigen zu brechen und zum Handeln aufzufordern. Dafür braucht es jede und jeden, ich hoffe du bist auch mit dabei!
Bild: Schweizer Frauenstreik 1991, Kundgebung in Zürich. Quelle: Wikimedia Commons