Young Critics: VERY BRITISH –  Sinfonieorchester Basel

Zwei Young Critics-RezensionEN zum Sinfoniekonzert VERY BRITISH. Von Carolina Mazacek und Marlene Thurm

EIN SPORTLICHER WETTKAMPF

VON MARLENE THURM

«Very British», so lautete das Konzert des Sinfonieorchesters Basel mitten im kalten November. Und es wurde very british indeed! Nicht nur das Wetter erinnerte an einen englischen Winter, auch der englische Solist Daniel Hope trug mit Edward Elgars Konzert für Violine und Orchester zum Titel bei.

Mit der Bereitschaft eines Spitzensportlers betraten sowohl Daniel Hope als auch sein Teamkollege Ivor Bolton – oder doch die Konkurrenz? – die Bühne. Beide schüttelten sich noch die Hände, bevor es in die Startlöcher ging. Denn Elgars Konzert für Violine und Orchester gleicht fast einem sportlichen Wettkampf.

Unvermittelt begann das Orchester zu spielen, doch Hope nahm dies zum Anlass, zunächst genüsslich hin und her zu tänzeln. Wie ein Fels in der Brandung erklangen dann die ersten Geigentöne, die das Aufbrausen des Orchesters zu bändigen schienen. Durch den ersten Satz hindurch wurde dieses Machtspielchen getrieben: einmal schien das Orchester die Kontrolle an sich zu reissen, dann Hope. Im zweiten Satz war nun die Rangordnung etabliert und die Anstrengungen des ersten Satzes vergessen. Doch auch im dritten Satz hiess es noch einmal: Endspurt. Wie ein Besessener dreschte der Solist auf sein Instrument ein, um mit dem Rauschen des Orchesters mitzuhalten. Doch beide schafften es wohlbehalten zur Ziellinie. Trotz seiner Spitzenleistung liess das Publikum Daniel Hope nicht gehen, bevor er noch eine Zugabe spielte. Mit Imitation der Glocken (Johann Paul von Westhoff) bewies der Geiger noch einmal seine Virtuosität auf seinem Instrument, bevor der das Publikum in die Pause entliess.

Nach der Pause stimmte das Orchester Antonín Dvořáks «Englische» an. Von Anstrengung keine Spur. Durch die vier Sätze hindurch demonstrierte es eine präzise und aufgeweckte Zusammenarbeit und blühte ohne Fremdkörper zu einem beeindruckenden Repertoire an Klangfarben auf. Begonnen mit den mächtigen Klängen des «Allegro con brio», die zusammen mit den vogelartigen Flötenklängen an eine Landschaftsbeschreibung erinnern. Der zweite Satz dann geprägt von einer lieblichen, bittersüssen Stimmung. Lustig wurde es noch im luxuriösen dritten Satz, bei dem das Orchester mit dem Walzerrhythmus das Publikum zum Mitschwanken einlud. Schliesslich entliess Ivor Bolton sein Orchester nach einem majestätischen vierten Satz in den wohlverdienten Feierabend.

TSCHECHIEN VS. ENGLAND

VON CAROLINA MAZACEK

Fand im Stadtcasino Basel ein Fussballmatch zwischen Tschechien und England statt? Wurde der Konzertsaal in ein Stadion verwandelt? Sie müssen keine Angst haben. Nein, es blieb ruhig und niemand wurde ausgepfiffen. Aber warum habe ich diesen Titel für meinen Text gewählt? Der offizielle Titel des musikalischen Abends war «Very British». Als ich diesen Titel gelesen habe, weckte er in mir eine Erwartung. Wird das Sinfonieorchester Basel versuchen, britisch zu spielen? Wird es mit seinen Klängen den britischen Stereotypen wachrufen? Werde ich am Ende einen Drang zu spüren bekommen, einen guten britischen Tee zu trinken? Werde ich am Schluss mit britischem Akzent sprechen? Viele Fragen, die erst nach dem Konzert beantwortet wurden. Lassen wir die Fragerei und stürzen wir uns ins Konzert.

Im ersten Teil spielte das Sinfonieorchester Basel das Konzert für Violine und Orchester von Edward Elgar, einem britischen Komponisten. Ein schönes Konzert, das mit dem Finalsatz «Allegro molto» seinen Höhenpunkt erreicht. Während die Geigen gezupft und gestreichelt wurden, bemerkte ich etwas, was mir sonst nicht auffällt. Denn meistens sitze ich vor dem Orchester und sehe das Gesicht des Dirigenten nicht. Also auch nicht die emotionale Hingabe des Dirigenten, die ich an diesem Abend vom Balkon aus über dem Sinfonieorchester beobachten konnte. Ich möchte noch ein Wort dem Solisten Daniel Hope widmen, und zwar musikalisches «Workout» – dies meine ich auch wörtlich.

Nach einer erholsamen Pause war der zweite Teil an der Reihe, die 8. Sinfonie des tschechischen Komponisten Antonín Dvořák. Diese Sinfonie trägt den Namen «Die Englische». Hat Antonín Dvořák versucht, eine Sinfonie zu komponieren, die an England erinnert? Ich muss Sie aber enttäuschen. Der Titel hat nichts mit dem Werk zu tun. Er gab der Sinfonie diesen Titel, weil er von seinem vorherigen deutschen Verlag zu einem englischen wechselte. Die Sinfonie soll an die tschechische Natur erinnern und nicht an britischen Tee.

Die Antwort auf die Frage, warum ich diesen Text so betitelt habe, lautet: Ich habe diesen Titel gewählt, weil ich zuerst dachte, dass Dvořák England imitieren wollte. Aber wie gesagt, das ist ein Irrtum. Zum Schluss will ich die Musiker*innen beglückwünschen, dass sie ihre beste Seite erfolgreich gezeigt haben. Das Publikum hat dies mit seinem herzlichen Applaus zum Ausdruck gebracht.

Sinfonieorchester Basel


Sinfonieorchester Basel

Du bist gefragt! Dieser Text ist entstanden im Rahmen des Programms „Young Critics“ des Sinfonieorchesters Basel. Vorgaben zur Textgattung gibt es keine, sogar Gedichte sind möglich. Ausgewählte Beiträge werden veröffentlicht und mit einem Betrag von 50 CHF vergütet. Bewerbungen an: l.vaterlaus@sinfonieorchesterbasel.ch. Übrigens: Für Studierende mit Studi-Abo kostet ein Konzertbesuch nur 10 CHF!

Bild: Sinfonieorchester Basel

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