Filmkritik: Elemental (2023) von Peter Sohn

Im neuen Pixar-Film Elemental versucht die junge Feuerfrau Ember den Laden ihres Vaters zu retten, verliebt sich dabei unverhofft in einen Wasserburschen und findet dadurch etwas Wichtiges über sich selbst heraus. Elemental läuft jetzt in den Kinos, droht allerdings heillos zu floppen. Zu Unrecht. Von Samuel Tscharner

Elemental erzählt eine Coming-of-Age-Geschichte über die junge Feuerfrau Ember. Sie wohnt in einer Grossstadt, in der die vier alten Elemente der Alchemie – Wasser, Erde, Luft und Feuer – alle zusammenleben. Das war allerdings nicht immer so. Die Eltern von Ember, Bernie und Cinder, stammen ursprünglich aus Feuerland und kamen aus Not mit dem Schiff in die Grossstadt, damals noch als zwei der ersten Feuerelemente. In einem heruntergekommenen Stadtteil bauten sie sich einen Laden auf und mit den Jahren, während Ember geboren wurde und aufwuchs, wurde aus diesem Stadtteil Feuertown, wo die Gemeinschaft der Feuerelemente hauptsächlich lebt.

Bernie ist unglaublich stolz auf seinen Laden und möchte, dass Ember diesen übernimmt, wenn er in den Ruhestand geht. Ember, von klein auf mit dieser Erwartung vertraut, kann es kaum erwarten, ihrem Vater diesen Traum zu erfüllen. Sie hat allerdings noch immer Schwierigkeiten mit den Kunden umzugehen, die sie regelmässig zu Weissglut treiben. Als dann einer ihrer Wutausbrüche eines Tages dazu führt, dass die Wasserrohre im Keller platzen, droht dem Laden plötzlich die Schliessung. Um diese zu verhindern, heftet sich Ember also an die Fersen des Wasserburschen namens Wade und landet dabei im Herzen der Stadt. So beginnt ihre Reise und sie ahnt nicht, dass sie sich dabei ausgerechnet in ein Wasserelemente verlieben und eine wichtige Selbsterkenntnis finden wird.

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Elemental wurde ursprünglich erdacht von Peter Sohn, der die Geschichte als Regisseur schliesslich auch umgesetzt hat. Es ist Peter Sohns zweiter grosser Pixar-Film.

Mit dem kaum bekannten Arlo & Spot (engl. Originaltitel: The Good Dinosaur) aus dem Jahr 2015 lieferte er ein herzliches und brillant animiertes Debüt, das allerdings bei vielen Kritikern überhaupt nicht gut ankam und die bis dahin tiefsten Einspielergebnisse für einen Pixar-Film eingefahren hatte.

Obschon Elemental an ähnlichen Stellen Probleme hat wie Arlo & Spot, spürt man jedoch, dass hier nochmals deutlich mehr Herz, Spass und Kreativität drinsteckt. Das liegt womöglich auch daran, dass Peter Sohn mehrere autobiographische Aspekte in dieser Geschichte verbaut und darin ganz persönliche Erfahrungen verarbeitet. So kamen Sohns Eltern in den 70er-Jahren aus Südkorea in die USA, bauten sich dort einen Laden auf und seine Grossmutter wünschte sich noch auf dem Sterbebett, dass ihre Enkel Koreanerinnen heiraten sollten. Ein Wunsch, der Peter Sohn ihr letztlich nicht erfüllen konnte. Das sind wahrscheinlich nur einige der Parallelen der Leben von Regisseur Peter Sohn und der Feuerfrau Ember Lumen.

Allerdings stellt Peter Sohn nach Arlo & Spot mit Elemental erneut einen zweifelhaften Rekord auf, nämlich den schlechtesten Einspielstart für einen Pixar-Film in den USA aller Zeiten. Und auch die sonstigen Einspielergebnisse deuten bis jetzt hart auf einen Misserfolg hin. Das liegt allerdings kaum an Peter Sohn oder dem Film selbst. Vielmehr dürften die Gründe beim dürftigen Marketing zu suchen sein, das Disney für diesen Film betrieben oder eben nicht betrieben hat. Zum anderen sind die letzten fünf Pixar-Filme derart gefloppt, dass wohl kaum noch jemand die Marke ernsthaft auf dem Schirm haben dürfte.

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Dabei verdient dieser Film deutlich mehr Aufmerksamkeit. Die Welt, die in Elemental aufgebaut wird, ist unglaublich faszinierend und geistreich. Alles darin strotzt nur so vor Kreativität und Liebe zum Detail. Das vermittelt seit langem wieder einmal das Gefühl, dass die Macher*innen des Films aufrichtigen Spass bei der Produktion hatten.

Die Figuren sind ähnlich liebevoll und bunt gestaltet wie damals bei der Monster AG und ihre Charakterisierung erinnert an diese optimistische Mehrschichtigkeit, die man sich von alten Pixar-Klassikern wie Toy Story oder The Incredibles gewohnt ist.

Auch die Geschichte ist vielschichtig und berührend. Dass man dabei die Perspektive einer jungen Frau mit Migrationshintergrund wählt, deren Bezug zur eigenen Kultur und zur eigenen Gemeinschaft stark ausgeprägt ist, verleiht dem Ganzen noch einmal neue, interessante Aspekte. Denn die in der Geschichte behandelten Themen sind per se nicht neu, aber durch den Mut die Geschichte aus dieser Perspektive zu erzählen, bekommen sie dennoch einen frischen Anstrich.

Zum einen verhandelt die Geschichte die Liebe zwischen den Eltern und der erwachsenwerdenden Tochter, die lernen muss zwischen ihren persönlichen Leidenschaften und den Erwartungen der Eltern und der eigenen Kultur zu unterscheiden und sich darin so zu bewegen, dass er ihr selbst entspricht.

Zum anderen geht es um eine Liebesgeschichte zwischen zwei jungen Erwachsenen mit vollkommen verschiedenen Hintergründen, sowie die Schwierigkeiten und auch Chancen, die damit einhergehen.

Zu guter Letzt schafft man es hier auf sehr beiläufige und subtile Weise den Begriff des strukturellen Rassismus zu verbildlichen. Die Stadt ist ursprünglich von Wasserelementen erbaut. Die Feuerelemente waren die letzten, die zur Stadt gestossen sind. Daraus ergibt sich, dass viele Bestandteile der Stadt für Feuerelemente schlichtweg gefährlich sind, gewisse Regulierungen sie systematisch benachteiligen und dass viele der Bewohnenden Vorurteile gegen die Feuerelemente haben. Auch hier traut sich der Film ein schwieriges Thema aufzugreifen, ohne es einem mit der Faust aufs Auge zu drücken. Vielmehr ergibt es sich von alleine aus dem liebevollen und kreativen Design und dem bildlichen Erzählen.

Inwiefern die Geschichte die ganz jungen Zuschauenden zu begeistern vermag, ist schwierig einzuschätzen. Das Zielpublikum für diesem Film scheinen eher Teenager und ältere Junggebliebene zu sein. Nichtsdestotrotz ist ständig so viel los aus der Leinwand und es gibt so viele amüsante Einfälle, dass auch die Kleinen auf ihre Kosten kommen können.

So herzallerliebst und mutig der Film auch ist, so weist er doch deutliche erzählerische Mängel auf. Der Anfang ist trotz des angenehmen Pacings ziemlich gehetzt. Man schafft es zwar die Situation von Bernie und Cinder verständlich zu transportieren, aber man schafft es nicht einen Moment zu kreieren, in dem man sich emotional mit ihnen verbinden kann. Allgemein fällt es Sohn schwer gewichtige Momente einfach einmal einen Moment stehen und sacken zu lassen. Das Ende des Auftakts mündet dann letztlich in den anfänglichen Konflikt, der den Stein ins Rollen bringt. Wie das zustande kommt, wirkt ziemlich übereilt und an den Haaren herbeigezogen. Hier ist erzählerisch vieles unstimmig und dient allein der Plotentwicklung.

Generell macht die erzählerische Einarbeitung wichtiger Plotpoints immer wieder einen eher unbeholfenen Eindruck, seien dies Konflikte, Charakterisierungen oder emotionale Ankerpunkte. So kommt die zentrale Charakterentwicklung von Ember beinahe aus dem Nichts, weil wichtige Charakterpunkte nur sehr flüchtig erzählt sind.

Nichtsdestotrotz sind die Aspekte irgendwo vorhanden und so bleibt die Erzählung stimmig und auch die unhandlich eingestreuten emotionalen Anker erfüllen gegen Ende ihre Funktion und generieren ihren Payoff. Das Writing-Team neben Peter Sohn bestehend aus John Hoberg, Kat Likkel und Brenda Hsueh scheint allerdings mit Elemental sein Debüt zu geben, was diese erzählerischen Unebenheiten erklären mag. Wenn man nicht darauf achtet, dürften diese Schwächen jedoch kaum bewusst auffallen.

Wer bestimmt kein Debüt abliefert für diesen Film ist Thomas Newman, der die Musik beisteuert. Seine Arbeit kennt man aus den Soundtracks von American Beauty, The Green Mile, Findet Nemo, Wall-E, oder Skyfall. Und auch hier liefert er wieder einen sehr unaufdringlichen, sich wunderbar in die Szenerie einspielenden Sound, der inspiriert ist von verschiedensten kulturellen Einflüssen, was hervorragend zum Thema passt. Da kann man nicht meckern.

In der Konklusion kann man festhalten: Elemental ist modern, mutig und extrem wertig gemacht. Ausserdem strotzt er vor Fantasie, Witz und Herzlichkeit wie man es schon lange nicht mehr im Kino gesehen hat.  Wenn es Schwächen gibt, dann sind es erzählerische Mängel. Die gewählte Perspektive ist erfrischend und trotz dem Andeuten mancher schwieriger Themen ist es ein durchwegs positiver Film, ohne Anklage, ohne moralinsauren Nachgeschmack.

Zwei Dinge könnten ihm jedoch vielleicht zum Verhängnis werden: Zum einen, dass das Zielpublikum, nämlich Jugendliche, wahrscheinlich weniger ins Kino geht und generell weniger Lust auf «Kinderfilme» haben. Zum anderen könnte die gewählte Perspektive dazu führen, dass es manchen Leuten schwerer fällt, sich zu identifizieren und mitzufühlen.

Keines davon sollte ein Grund sein, sich den Film nicht anzuschauen, denn gerade im Kino lohnt sich dieser farbenfrohe Streifen auf jeden Fall.

Filmbewertung: Elemental

Bewertung: 4 von 5.

Elemental läuft in Basel seit Donnerstag, dem 22. Juni, sowohl im Kult.Kino als auch im Stücki (Arena Cinemas).

Bilder: © The Walt Disney Company Switzerland. All Rights Reserved.

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