Was tun, wenn Klimakrise und Ohnmachtsgefühl wieder überhandnehmen? Was Aktivismus bewirken kann und was der Basler Klimaaktivismus bewirkt hat. Ein etwas anderer Ratgeber. Von Helma Pöppel
Café Frühling. Schwül war es und ein Gewitter zog auf. Ich sass da, den SPIEGEL vor mir aufgeschlagen, eine Ausgabe, die sich der Klimakrise auf allen Ebenen widmet, eine Reise zu all den wortwörtlichen Brandherden, den Menschen, die so verzweifelt sind, dass sie für Wasser beten, zum 81- jährigen Hirten, der nicht mehr weiss, wie er seine Schafe durchbringen soll. Meist kann ich sowas gut wegstecken. Aber an diesem Tag nicht.
Ich atmete tief durch und schaute auf. „Steht die Welt noch?“ Ich sah Leute, die sich freundlich unterhielten, die lachten, entspannten. Der Puls sank. Ich packte die Zeitschrift ein und überlegte mir, was ich an dem Abend kochen könnte. Irgendwas Veganes, wenn möglich.
Zuhause sassen meine Familie und ich am Esstisch. Der vergangene Tag, die kommende Woche wurden besprochen und irgendwann sprach irgendwer die Klimakrise an. Kurz wurde es still, dann die Antwort: “Können wir nicht darüber sprechen, ich vertrage diese schlechten Nachrichten gerade nicht.” Themawechsel und das Gespräch ging weiter.
Aber dieser Moment blieb hängen, bleibt immer noch hängen.
Als wir schwiegen und die Klimakrise plötzlich so laut und sperrig im Raum stand.
Es sind diese Momente, die uns erdrücken. Information führt zu Schockmoment, führt zu Ohnmachtsgefühl, führt zur Fokussierung auf uns selbst. Dann machen wir uns ganz klein und schrumpfen zu aufmerksamen Konsument*innen, die in Ratgebern die nachhaltigste Jeans nachschlagen und guten Bürger*innen, die brav ihren Müll trennen.
Dabei könnte es anders sein.
Seit 2019 wissen wir eigentlich, was Menschen, die sich zusammenschliessen, erreichen können. Mit den Klimastreiks in Basel haben wir einen Klimanotstand durchgebracht. Daraufhin hat Jo Vergeat (Junges Grünes Bündnis) eine Spezialkommission “Klimaschutz” auf die Beine gestellt. Seit dem 27. November 2022 hat Basel Netto Null bis 2037 und Klimagerechtigkeit in der Verfassung. Sogar die Initiative mit dem Ziel 2030 hat 56.7% der Basler Stimmen bekommen. Einen Paradigmenwechsel darf man das wohl nennen. Und nur so als Hinweis aus Insiderkreisen: Dass der Gegenvorschlag der Umweltkommission netto null bis 2037 festgelegt hat, hängt direkt mit dem Druck der Strasse zusammen.
Greta Thunberg sagte im 1.5 Grad Podcast einmal sinngemäss: “Hoffnung ist Handeln. Sie ist nichts Passives. Sie entsteht durch Aktivität. Wir machen Hoffnung.” Und sie hat so recht. Je ruhiger wir werden, desto lauter wird die Klimakrise und droht uns zu ersticken. Weil der Handlungsspielraum kleiner wird und die Krisen immer weiter eskalieren.
Und wenn mensch sich fragt, warum es überhaupt soweit kommen konnte, kommt man nicht an dieser falschen Vorstellung der Hoffnung vorbei. Das ist die treibende Kraft hinter der Untätigkeit: Wir warten auf einen Bundesrat, der sich schon darum kümmert. Wir überlassen es einem Markt, der sich “hoffentlich” von selbst anpasst. Die Hoffnung wird eigentlich nur erhofft. Und so bleiben wir im Café sitzen.
Ohnmachtsgefühl ade
Es ist ein Teufelskreis. Information führt zu Schockmoment, führt zu Ohnmachtsgefühl, führt zur Fokussierung auf sich selbst und endet damit, dass wir uns schon wieder in Ratgebern wälzen, die uns sagen, welche vegane Milchalternative, den kleinsten CO2 – Abdruck hat. Das bringt nichts, deshalb hier ein anderer Ratgeber:
- Schliesst euch mit anderen zusammen. Redet über die Klimakrise und ihr werdet merken, dass ihr nicht alleine seid mit euren Sorgen, eurer Ohnmacht.
- Geht an Demonstrationen! Ja, die Reden sind lang und vielleicht läuft man genau vor dem Heini, der viel zu laut schreit. Aber mit einem Bier in der Hand und eine*r Freund*in an der Seite sind sie ein wunderbarer Feierabend.
- Schaut mal in eine Lokalgruppe der Klimabewegung herein oder gründet eine in eurem Umfeld. Habt ihr drei gute Menschen zusammen, reicht das. Macht eigene Projekte, wie z.B. eine Infokampagne oder schreibt einen offenen Brief. Whatever, solange es andere mitziehen kann.
- Unterschreibt Petitionen und Initiativen!
- Nutzt euer Stimm- und Wahlrecht.
Ja, wir sollten nicht mehr fliegen, viel weniger Tierprodukte essen und, und, und… Aber solange wir das stillschweigend tun, hat es keinen Effekt auf andere. Dann zeigen wir nicht, was Hoffnung wirklich ist und durchbrechen auch nicht den Teufelskreis der Untätigkeit. Und dafür fehlt uns wirklich die Zeit.
Wir müssen nicht alle Vollzeitaktivist*innen werden. Aber wir müssen denen, die es sind, den Rücken stärken. Damit wir an einem anderen Nachmittag wieder im Café sitzen können. Ohne Schockmoment. Weil wir wissen, dass wir nächsten Freitag wieder am Klimastreik Veränderung fordern!
Der Artikel ist Teil der Reihe Nachhaltiges Basel. Weitere Beiträge folgen! Bisher erschienen:
- „I’m a Trash Hero“ von Sarah Durrer (Trash Hero Basel)
- Sharing Economy im Leihlager – Haben ist gut, Teilen ist besser von Florian Zoller
- Science Fiction Meets Comedy von Tim Altermatt
- Ein Klima der Veränderung: Klimagerechtigkeitsinitiative Basel2030 von Moira Häner (Klimagerechtigkeitsinitiative Basel2030)
- Nachhaltige Mode am Black Friday? von Laura Bisang
- Ohnmacht in der Klimakrise!? von Helma Pöppel
- Sustainability and Agriculture, a Difficult Pairing? von Jeannine Fluri und Muguette Müller
Bild: Klimagerechtigkeitsinitiative Basel2030