Eine gleichgestellte Gesellschaft ist letztlich unser aller Ziel. Dennoch sind es vor allem Frauen, die über dieses Thema sprechen. Warum sich Männer mit der Debatte schwertun, was Gleichstellung für sie ermöglichen könnte und wie das Männerbüro an ihr mitwirkt – das besprach ich mit dessen Geschäftsführer Gaudenz Löhnert. Von Anniina Maurer
Herr Löhnert, stellen Sie uns doch das Männerbüro Region Basel zuerst kurz vor.
Gaudenz Löhnert. Das Männerbüro hilft Männern, wenn sie nicht mehr selbst weiterwissen. Wir holen sie ab, wenn es beispielsweise Schwierigkeiten in der Familie, Arbeit oder Beziehung gibt. Früher ging es meistens um Gewaltberatung, heute sind die Themen vielfältiger. Wir wollen ein Ort sein, an den Betroffene kommen können, ohne verurteilt oder wie das sonst unter Männern sein kann, belächelt zu werden. Was wir dann tun können, ist vor allem, miteinander ins Gespräch zu kommen und zu reflektieren, eine Art Coaching also. Wir haben aber keine fertigen Lösungen bereit, sondern erarbeiten sie zusammen mit unseren Klienten oder schauen, dass sie von einer anderen Fachstelle Hilfe bekommen können.
Wer sind denn ihre Klienten?
Zu uns kommen Männer, die 18 oder über 60 Jahre alt sind. Männer aus verschiedensten Berufen, auch Topmanager oder Psychologen. Die grösste Gruppe sind aber junge Väter und solche, die nicht das traditionelle Rollenverhältnis leben, sondern neue Formen ausprobieren wollen. Unsere Klienten sind dabei sehr unterschiedlich. Einige kommen nur einmal, um ihre Sorgen zu deponieren. Andere kommen mehrmals und merken erst mit der Zeit, wo der Schuh drückt. So hatten wir hier einen Mann, der erst nach einigen Sitzungen realisierte, dass er Opfer häuslicher Gewalt wurde.
Ihr seid ein Männerbüro, während gerade grosse Genderdebatten am laufen sind. Können auch Männer zu Euch kommen, die z.B. nicht cis oder heterosexuell sind?
Der Wandel von Geschlechterbildern und -Rollen ist einer unserer Fokusse. Wir sind nicht ein Männerbüro in dem Sinn, dass wir das traditionelle Männerbild verteidigen wollen. Emanzipation muss sein. Wir wollen Männer beraten, die sich auf den Weg machen, die neue Rollen ausprobieren wollen, Verantwortung übernehmen wollen, zum Beispiel in der Familie. Was den Bereich LGBTQIA+ angeht, stecken wir noch in den Anfängen. Wenn jemand diesbezügliche Anliegen hat, schauen wir, ob wir am besten unterstützen können oder andere Anlaufstellen.

Sie sprachen von ‘Emanzipation’, nicht vom Feminismus. Wäre das für Sie ein Widerspruch, ein feministisches Männerbüro?
Ich denke nicht, dass wir die feministische Debatte ganz den Frauen überlassen sollten. Mich stört es, wenn zu einem Streik gegen Gewalt an Frauen alle eingeladen werden, ausser cis-Männer. Für mich ist das das völlig falsche Zeichen, denn ich gehe davon aus, dass auch die allermeisten Männer selbst nicht gewalttätig sind und es schlecht finden, wenn Frauen geschlagen oder getötet werden. Und das muss gezeigt werden. Männer müssen mitmarschieren und anderen Männern zeigen: Hier bin ich und bin gegen Gewalt. Was ist mit dir?
Wir als Männerbüro werden nie eingeladen, wenn es um solche Aktionen geht. Wenn wir uns dann proaktiv für eine Zusammenarbeit einsetzen, sind alle erstaunt. Natürlich wollen wir mitmachen! Auch wir wollen ein Zeichen setzen gegen Gewalt. Solche Dinge erreichen wir als Gesellschaft nur gemeinsam, nur so haben wir eine Chance. Polarisierungstendenzen finde ich sehr gefährlich, Abgrenzung ist nicht zielführend.
Nach meiner persönlichen Erfahrung ist es aber auch schwierig, mit Männern über Gleichstellungsthemen zu sprechen, weil sie entweder damit gar nichts anfangen können oder gleich in die Defensive gehen, statt Position zu beziehen. Ist es dann als Frau etwa wieder an mir, mich zurückzunehmen, damit sich Männer in dieser Diskussion sicher fühlen können?
Die Debatte muss differenziert werden. Dort, wo ein Aushandeln schon stattfindet, braucht es mehr Unterstützung, etwa in jungen Familien. Oft fällt es dort den Frauen genau gleich schwer, aus alten Mustern rauszukommen, wie den Männern. Dann gibt es Themen, wo sich noch nichts getan hat und wo man ganz sicher nicht Rücksicht nehmen muss, sondern natürlich wütend sein darf. Aber letztlich gibt es Methoden, die den Gleichstellungsprozess vereinfachen und andere, die ihn erschweren. Und ob wir unser Ziel erreichen, wenn wir nicht nett zueinander sind, bezweifle ich.
Erleben Sie es denn auch so, dass Männer sich mit dem Gleichstellungsthema schwertun und woran könnte das liegen?
Ja, tendenziell beobachte ich das schon, vor allem bei jungen Männern. Ich habe das Gefühl, dass wir im Moment einen Backlash in der Sache erleben. Aber warum das so ist, kann ich mir nicht erklären. Natürlich, die Männer müssen Gewohnheitsrechte abgeben, was in der Sache schon schwerer ist, als zu nehmen. Ich glaube aber, wenn die Männer sich öffnen und Zugeständnisse machen, werden sie merken, dass die Frauen an einigen dieser Männerprivilegien gar kein oder wenig Interesse haben. Oder, dass sich im Umkehrschluss auch tolle neue Möglichkeiten ergeben: Mir wurde zum Beispiel beigebracht, dass Frauen nicht aufs Schiff gehören. Erst als ich mit einer gemischten Crew segelte, merkte ich, was das für ein Blödsinn war, den ich da einfach so übernommen hatte… Und dann habe ich mich gefragt, warum ich darauf nicht selbst gekommen bin.

Wie sähe denn eine gleichgestellte Gesellschaft aus?
In einer gleichgestellten Gesellschaft ergänzen sich alle Puzzleteile und fühlen sich miteinander wohl. Niemand hat das Gefühl, dass der andere mehr Privilegien hat als er selbst oder erkennt, dass wir alle unterschiedliche Privilegien brauchen. In einer idealen Gesellschaft sind wir nicht neidisch aufeinander, sondern schätzen unsere Unterschiede.
Und was muss dafür, gerade aus Männerperspektive, noch geschehen?
Beide Seiten, Männer wie Frauen, müssen Privilegien abbauen. Für Frauen gilt das vor allem im Familienbereich. Mütter müssen auch zulassen können, dass die Kinder halt dreckig werden, wenn sie mit dem Vater in den Wald gehen und anerkennen, wenn er Verantwortung übernimmt. In jeder Beziehung müssen so die Aufgaben laufend neu ausgehandelt werden, wer was macht und warum. Ich wäre zum Beispiel damals gerne bei den Kindern zu Hause geblieben, aber meine Frau hat leider nicht genug verdient. Bei der Lohngleichheit der Frau muss also auch noch viel getan werden, dann können die Männer auch mehr in der Familie helfen.
Und dann müssen wir Männer auch an uns selbst und unserem Männerbild arbeiten. Ist ‘Mann’ wirklich nur der starke, gutverdienende Liebhaber und sportsman? Wir müssen an diesen Haltungsfragen arbeiten und uns von Männerbildern verabschieden, die es schon lange nicht mehr gibt.

Wie kann die Gesellschaft Männer dazu ermutigen, eben an sich selbst und der Gleichstellung zu arbeiten?
Ich glaube, das eine ist das Vorleben, das andere das Infragestellen und zwar die andern, aber auch sich selbst. Ausserdem braucht es mehr Mut. Mut, sich für seine Werte einzusetzen, Mut, auch mal ein Weichei zu sein und Mut dazu, Dinge auszustreiten. Wir sind auf gutem Weg zu einer gleichberechtigten Gesellschaft. Bis jetzt haben wir aber erst die Rahmenbedingungen dafür geschaffen, wie wir darin letztlich leben, erklärt uns niemand. Es ist die gesellschaftliche Aufgabe, das rauszufinden und die Menschen dabei zu unterstützen. Bei uns sind das die Männer, denen wir wenn nötig einen Rückzugsort bieten. Und so, denke ich, kann es gehen: mutig sein, sich öffnen und die Sache angehen, dann können wir nicht verlieren, nur gewinnen.
Herr Löhnert, vielen Dank.
Das Männerbüro unterstützt Männer in belastenden Situationen mit Gesprächen zu verschiedenen Themen wie Gewalt oder Sexualität.
Männerbüro Region Basel
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