Was tut man eigentlich mit seinen alten Seminararbeiten? Ein Versuch über eine mögliche Art der Wiederverwertung. Von Emmanuel Heman
Das Schreiben von Proseminar- und Seminararbeiten verlangt bekanntlich eine hohe Frustrationstoleranz: Man betreibt jede Menge Aufwand und gelesen werden die Texte vielleicht von einer knappen Handvoll gutmütiger Menschen – wenn man Glück hat. Anschliessend wandert der Stapel Papier in der Regel schnell in die Schublade. Dafür weiss man am Ende, dass man im Falle einer akademischen Karriere schon fleissig geübt hat. Dabei wäre so viel Übung wahrscheinlich gar nicht nötig.
Der Weg zum Erfolg ist in der Geschichtswissenschaft (und in anderen Geisteswissenschaften) ja theoretisch ziemlich einfach: Publiziere möglichst schnell und möglichst vieles von hoher Qualität. Danach kann man sich immer noch um solche Dinge wie Originalität, Forschungsdesiderate oder Ähnliches kümmern.
Wissenschaftliche Potenz misst man heutzutage bekanntlich vor allem an der Anzahl der Veröffentlichungen – bzw. daran, wie lange es dauert, um ans Ende der Liste zu scrollen, welche die Dozierenden auf ihren Webseiten präsentieren.
Um die erste Regel zu erfüllen, lässt sich eine zweite aufstellen: Verwerte möglichst alles, was dir in die Finger kommt! Jeder Perspektivenwechsel, jedes neue Detail, was über den jeweiligen Forschungsgegenstand entdeckt worden ist, muss an die Öffentlichkeit getragen werden (häppchenweise wohlgemerkt).
Wer die historischen Tiefendimensionen seines Themas ausgeschöpft hat, tut dasselbe auch geographisch – vorausgesetzt er oder sie fühlt sich einigermassen sicher in Fremdsprachen.
Insgesamt kommen da schnell einmal ein paar Beiträge zusammen, die man auf Aufsätze sowie Vorträge verteilen und später zu einer Monographie verarbeiten kann. Soweit so gut. Was aber tun, wenn das immer noch nicht reicht?
Guttenberge dich selbst!
Auch dafür gibt es eine Lösung, die in der Fachwelt akzeptiert scheint – und die man ebenfalls beim Verfassen einer Seminararbeit kennenlernen kann: Wer nicht weiterweiss, schreibt ab. Natürlich nicht bei den Kollegen. Viel eleganter ist die Variante, sich selbst zu kopieren, schliesslich kennt man sich selbst am besten.
Wenn man nur ein wenig sucht, findet man rasch sehr anschauliche Beispiele für diese äusserst lohnende, ja in dieser Hinsicht gerade zu vorbildhafte Effizienz. Ist der wegweisende Beitrag für die Forschung erst einmal geschrieben und mittels Monographie zementiert worden, wird er später wortgleich recycelt (das Niveau muss gehalten werden).
Virtuos werden ganze Absätze neu angeordnet, eingerahmt von ein paar schmückenden Beisätzen. Die ganz versierten Kandidaten haben diese Praxis perfektioniert: Sie bauen verschiedene Versatzstücke in ihre Habilitationsschrift ein und sparen sich so einiges an Kopfzerbrechen.
Wer also bei der gefühlt zehnten Proseminararbeit nach Worten ringt: Man nehme alte Arbeiten hervor, denn wer sucht, der findet!