Eine Kurzgeschichte von Julia Northfleet
Ich packe meinen Koffer. Nur das Wichtigste soll rein, alles andere hat keinen Platz. Doch was ist wirklich wichtig und was nicht? Ich kann kaum einen klaren Gedanken fassen. Je länger ich mit dem Packen beschäftigt bin, umso ungeduldiger werde ich. Mein Körper ist vollgepumpt mit Adrenalin und ich würde am liebsten ohne Koffer wegrennen. Doch das geht nicht, in Situationen wie diesen muss man Köpfchen haben. Ich schmeisse Kleidung, ein erste Hilfe Kästchen, Brot und Hygieneartikel in meinen Koffer. Das sollte reichen. Nein, Halt! Wasserflaschen dürfen nicht fehlen. Ich renne aus meinem Zimmer hinaus und hinein in die Küche. Mit voller Wucht reisse ich die Wasserflaschen aus dem Küchenregal und breche mir dabei einen Fingernagel ab. Ich sprinte zurück in mein Zimmer und schmeisse die Wasserflaschen in den Koffer.
Meine Kehle ist ganz trocken vor Stress. Ich schliesse den Koffer und schmeisse ihn in den Gang. Ich hoffe, dass meine Mutter auch schon mit dem Packen fertig ist. Ich gehe in ihr Zimmer und sehe sie stillstehend am Fenster. In ihrem Koffer liegt kein einziger Gegenstand. Ich gehe zu ihr und schüttle sie vor Wut: «Was soll das Mutter? Wir müssen sofort von hier verschwinden! Warum ist dein Koffer nicht gepackt?» Obwohl ich sie schüttle und anschreie, rührt sie sich kein bisschen von der Stelle. «Wir werden sowieso alle sterben.» Antwortet sie mit kalter Stimme. «Sag doch so etwas nicht! Wir werden es schaffen.» Vom Schock ihrer Worte fliesst mir eine Träne die Wange hinunter. Ich packe sie am Arm und zerre sie in den Gang. «Wir müssen jetzt gehen! Brot und Wasser werden wir uns einfach teilen.» Mit meiner rechten Hand ziehe ich meine Mutter, mit der linken trage ich den Koffer. Ich stosse mit meinem linken Ellenbogen die Tür auf und renne mit meiner Mutter das Treppenhaus hinunter. Die Haustür zu schliessen, wäre sinnlos.
In der Parkgarage angekommen bemerke ich, dass unser Auto das letzte ist, das noch dasteht. Ich fische die Autoschlüssel aus meiner Hosentasche und lasse den Koffer dabei fallen. «Setz dich bitte sofort rein!» Sage ich zu ihr, während ich das Auto öffne und den Koffer wieder aufhebe. Ich werfe den Koffer in den Kofferraum und setze mich ans Steuer. Ohne mich anzuschnallen, rase ich aus der Parkgarage. Normalerweise ist mir das Fahren mit angemessener Geschwindigkeit sehr wichtig, doch heute fahre ich mit gefährlicher Schnelligkeit. Die Strassen sind tot. Ich sehe weder Mensch noch Auto. Sind wir wirklich die Letzen in der Stadt? Wir befahren die Autobahn und ich kann ihn schon von weitem sehen. Ein riesiger Stau. Mir bricht der Schweiss aus und meine Knie werden ganz weich. Es darf jetzt keinen Stau geben, wir müssen ganz schnell hier weg! Ich möchte meiner Mutter gerade etwas sagen, doch etwas hält mich davon ab:
Ein hoher Ton der rasant an Lautstärke gewinnt. Was ist das? Der Ton kommt von hinten, ich kriege extrem starke Kopfschmerzen. «Mutter wir müssen sofort aus dem Auto aussteigen und rennen, das ist unsere einzige Chance!» Ich öffne die Autotür und möchte aussteigen, doch ich bemerke, dass meine Mutter nicht aussteigt. «Mutter, bitte, wir müssen gehen!» «Lass gut sein mein Kind, es ist zu spät. Renne ruhig so wie die anderen, ich bleibe hier im Auto.» Nach ihren Worten legt sie ihre Hände zu einem Gebet zusammen. Meine Brust schmerzt vor Angst und ich kann meinen Körper kaum noch spüren. «Wie kannst du nur so etwas sagen Mutter? Wir müssen rennen. Ich kann dich nicht hier im Auto zurücklassen.» Der Ton ist nun unerträglich laut und meine Mutter und ich halten uns die Ohren zu. Mir ist übel und ich kämpfe damit nicht erbrechen zu müssen. Ich nehme die linke Hand meiner Mutter von ihrem Ohr und rufe: «Ich kann dich hier nicht alleine lassen, ich bleibe bei dir!» Wir beide brechen in Tränen aus und nehmen uns fest in die Arme. Um uns herum sehe ich schreiende Menschen wegrennen. Andere Menschen bleiben in ihren Autos sitzen so wie wir. Ich traue mich nicht zum Ursprung des Tones zu schauen, sondern blicke tief in die Augen meiner Mutter. «Mutter ich habe dich sehr lieb.» Sage ich zu ihr. Sie antwortet: «Ich di….
Fortsetzung von Das Ungewisse