Eine Kürzestgeschichte von Christina Gut

Die Handfläche schmerzt beim Öffnen. Sie schmerzt auch wenn zu. Das trockene Blut spannt beim Öffnen. Ich traue mich nicht, hinzusehen. Nicht nur die Hand ist rot, auch der Kopf. Innen. Die Hüfte ist blau. Und lila. Und an den Rändern gelb. Und in der Mitte schwarz. Dort, wo die Tischkante war. Bist du ungeschickt sagt die Stimme. Ich schweige. Die Lunge brennt noch, die Beine auch. Die Schulter ist braun von Schmutz und Asphalt. Sie musste den ganzen Sturz auffangen. Die Füsse wollen weitergehen. In Bewegung bleiben, nicht still sein, weitermachen. Die andere Schulter schlägt an einer Häuserkante an. Tollpatsch sagt die Stimme. Die Füsse laufen, der Kopf ist rot. Das Gebäude ist grün. Das hässliche, kranke Grün. Die Augen sagen nein, die Hand sagt ja, der Kopf sagt nichts. Die Füsse entscheiden.

Der Boden quietscht. Eine Frau stellt Fragen, der eine Arm bewegt sich. Der andere holt die Karte hervor, gibt sie der Frau, wird weitergeschickt, wartet. Die Füsse wollen weitergehen, bewegen sich in der Luft. Jemand kommt. Das Blut soll weg. Die Hand will nicht – ich will nicht. Ich strecke sie hin. Schaue hin. Was für ein Trottel sagt die Stimme.

Nähen. Narbe. Eine feine weisse Linie wird bleiben. «Ist das alles?», fragt sie. Die Hand pocht dumpf. Die Betäubung wirkt nach. Gesicht oder Boden, dazwischen zu hell, sagen die Augen. Ich nicke und schaue hoch. Sie wartet. Ich warte. «Darf ich den Rest anschauen?» Zwischen den Schulterblättern wird alles starr. Breitet sich in alle Richtungen aus. Kriecht den Hals hoch. Schnell nickt der Kopf. Das Rot ist weg. Leer. Stoff heben, tiefer blicken, fündig werden. Ich schaue zu. Steinchen um Steinchen, ein umgekehrtes Mosaik. Salbe, Verband. Fragen, nicken, weiterblicken. «Wie ist das passiert?», fragt sie. Schaut auf die Hand. Kann nicht sprechen, sagen die Stimmbänder. «Ich bin ungeschickt. Ein Tollpatsch.», sagt die Stimme aus meinem Mund. Sie nickt, wartet. Ich warte. Sie steht auf. Geht. Die Füsse kommen als erste aus der Starre. Beginnen wieder in der Luft zu gehen. Beine, Arme… Der Kopf ist nicht mehr leer. Nur müde. Sie kommt wieder. Das Weiss blendet weniger. Eine Karte, eine Linie, orange. Zahlen. Unter Buchstaben. Ein Logo, ein Name. Ich sehe sie an. Sie nickt. «Wenn es soweit ist.» Ich öffne den Mund. «Danke», sage ich.

Titelbild: Pixabay

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