Aufgepasst, Veloromantiker und ÖV-Fetischistinnen! Die Handelskammer beider Basel stellt ungefragt die verheissungsvolle Zukunft der Mobilität vor. Von Tim Altermatt
Seit dem Frühling ist das vom Wirtschaftsverband Eigenregie verfasste Mobilitätskonzept für die Stadt vorzustellen. Hier nachzulesen. So richtig interessiert hat’s zwar niemanden, doch es soll aus reiner Freude an der Sache an der Stelle trotzdem zusammengefasst werden.
Zuerst die gute Nachricht: Ihr könnt eure Fahrräder behalten. Auf sogenannten Veloschnellrouten werden auch in Zukunft Zweiräder Basel befahren. Da der von der Handelskammer verwendete Begriff «Velobahn» jedoch jenseits unseres zeitgenössischen Vorstellungsvermögens liegt, hier eine Beschreibung: Ein Veloweg, dessen Oberfläche mit dem Stoff von Billiardtischen bespannt wird (sieht jedenfalls so aus), beheizt werden kann (falls man im Winter wiedermal mit dem Rad hinfällt) und auf hölzernen Stelzen in etwa fünf Metern Höhe durch die Stadt führt. Über den Strassen.
Warum das Ganze? Weil unsere Strassen ohne die ganzen Radfahrer:innen viel bequemer befahrbar wären. Weil wir Verkehrsprobleme heutzutage nicht dadurch lösen, dass wir die vorhandenen Strassen endlich sicherer und befahrbarer für Velos machen, sondern dadurch, dass wir alle Bikes von der Strasse auf hölzerne Highways verbannen. Problem gelöst, oder? Kurze Notiz am Rande: Im Basel-Land wurde der erste geplante Velo-Highway dieser Art nach Korruptionsvorwürfen wieder eingestampft. Sciene-Fiction meets Comedy.
Nachdem sich das mit den lästigen Fahrrädern erledigt hat, wartet der Handelskammer-Bericht mit den richtigen Leckereien auf. Zukunft soll was hergeben. Und Brücken sind, wenn wir ehrlich sind, doch irgendwie schon lange aus der Zeit gefallen. Warum nicht elektrische Wassertaxis? Aber hallo. An achtzehn Stellen am Rheinufer schlägt die Handelskammer die Errichtung von Haltestellen für Wassertaxis mit «möglicherweise flexibler Routenwahl» vor. Wo der Platz dafür herkommen soll oder wie sich eine elektrische Wassertaxistation auch nur annährend mit der Ästhetik des Rheinboards oder dem über viele Monate im Jahr abgehaltenen Rheinschwimmen vertragen soll, wird offengelassen. Weil Zukunft.
Vom Münster zum Rheinufer wird eine Rolltreppe führen. Weil Treppen auch retro sind. Und mühsam. Und wem das noch nicht futuristisch genug ist, für den sollen Menschen die Unterführungen Basels in Zukunft auf sogenannten Rollbändern durchlaufen, weil zu Fuss gehen, wenn wir ehrlich sind, etwas weniger als Treppensteigen, aber immer noch mühsam ist. Die Handelskammer verspricht eine erhöhte Sicherheit durch diese Lauf- bzw. Stehbänder. Wer nicht läuft, kann auch nicht stürzen. Auch oberirdisch sollen die hübschen pechschwarzen Laufbändern die Basler Innenstadt zieren, um stadtweites Flughafenterminal-Feeling zu verbreiten.
Irgendwelche Disneyland-Fans hier? Nein? Egal. Vom Badischen Bahnhof bis nach Salina Raurica soll trotzdem ein sogenannter „PeopleMover“ führen, eine Verkehrsmittel, welches die Handelskammer auch im Namen direkt von der gleichnamigen Disneyland-Attraktion abgekupfert hat. Es klingt fescher, als es ist: Eine sehr langsam fahrende Achterbahn, welche die Menschen in gemächlichem Tempo ohne Loopings von A nach B bringt. Weitere Ausführungen hält die Handelskammer zu diesem Vehikel nicht bereit und schliesst damit den Deckel ihrer Spielzeugkiste wieder.
Dass diese genialen Ideen noch längst nicht umgesetzt wurden ist nur ein weiterer Beweis dafür, in welchem „gedanklichen Korsett der möglichen Mobilität“ die Menschen dieser Stadt gefangen sind…
Der Artikel ist Teil der Reihe Nachhaltiges Basel. Weitere Beiträge folgen! Bisher erschienen:
- „I’m a Trash Hero“ von Sarah Durrer (Trash Hero Basel)
- Sharing Economy im Leihlager – Haben ist gut, Teilen ist besser von Florian Zoller
- Science Fiction Meets Comedy von Tim Altermatt
- Ein Klima der Veränderung: Klimagerechtigkeitsinitiative Basel2030 von Moira Häner (Klimagerechtigkeitsinitiative Basel2030)
- Nachhaltige Mode am Black Friday? von Laura Bisang
- Ohnmacht in der Klimakrise!? von Helma Pöppel
- Sustainability and Agriculture, a Difficult Pairing? von Jeannine Fluri und Muguette Müller
Titelbild: Pixabay