Korruption untergräbt das Vertrauen in politische Institutionen und schwächt die demokratischen Strukturen eines Landes. Wenn die Bevölkerung die Integrität ihrer Regierung anzweifelt, können anti-demokratische Kräfte leichter an Einfluss gewinnen – ein gefährlicher Trend, der die Stabilität und Zukunft der Demokratie bedroht. Von Annie Sanchez Holzwarth
Eine funktionierende Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit, dennoch wird es für viele Bürger:innen westlicher Länder als etwas Gegebenes angesehen. Aber wie wird die Demokratie denn überhaupt definiert? Demokratie ist eine Staatsform, in der das Volk der Träger von Macht und Recht ist. In der modernen Staatstheorie ist die Volksherrschaft repräsentativ. Das heisst, das Volk übergibt die Macht an bestimmte Akteure („accountability“). Diese Akteure werden in einem demokratischen Prozess vom Volk ausgewählt, sie sind dementsprechend auch für die Art und Weise, wie sie diese Macht ausüben, verantwortlich. Das Volk behält somit demokratische Mitwirkungsrechte, die bei indirekten Demokratien in erster Linie bei der Wahl der Parlamente zum Tragen kommt. In direkten Demokratien, wie in der Schweiz, hat das Volk mit der Volksinitiative und dem Referendum eine direktere Einwirkung auf Sachentscheide.
Ohne Vertrauen keine Demokratie
Gehen wir jedoch zurück zum Anfangssatz: Demokratie wird oft als eine Selbstverständlichkeit wahrgenommen. Wir erleben jedoch seit ein paar Jahren überall auf der Welt demokratische Rückfälle. Es gibt dafür unterschiedliche Gründe. Es wird aber deutlich, dass Korruption dabei eine sehr grosse Rolle spielt. Nicht enden wollende Skandale sowie Verfehlungen von Politiker:innen erregen immer wieder Unruhen in der Öffentlichkeit. Öffentliche Gelder werden durch Egoismus und Eigennutz der Politiker:innen verschwendet, ohne dass dies für die Verantwortlichen Folgen zu haben scheint. Korruption ist ein politisches, wirtschaftliches und soziales Phänomen, welches zu einem Problem für die Entwicklung von Staaten geworden ist. Sie untergräbt Demokratien, indem sie die wirtschaftliche Entwicklung schwächt, die politische Entscheidungsfindung im Interesse einiger weniger verzerrt, Instabilität schafft, die Verringerung von Armut und Ungleichheit erschwert und, vor allem, zu einem fortschreitenden Vertrauensverlust in das demokratische System führt. Keine Demokratie kann langfristig ohne die Ressource des Vertrauens existieren, denn Demokratien sind offene Gesellschaften, welche auf zivilgesellschaftlichem Engagement und politischer Teilhabe beruhen. All dies weckt ein Gefühl der Ohnmacht und Ungerechtigkeit, weshalb es sehr wichtig ist, Korruption zu bekämpfen und die Bedeutung von Transparenz und Integrität zu fördern.
Kern und Wesen der Korruption
Aber was heisst eigentlich „Korruption“ genau? Obwohl die bekannteste Definition diejenige von Transparency International ist, die besagt, dass Korruption „der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil“ ist, gibt es keine einheitliche Definition von Korruption. Das erste Problem ist also, dass jeder Mensch eine andere Idee oder Vorstellung von Korruption hat. Auch ist die Definition von Transparency International viel zu allgemein gehalten. Die verschiedenen Arten von Korruption, wie zum Beispiel Bestechung, Geldwäsche, Vorteilsannahme, um nur einige zu nennen, sollten direkt benennt werden, um auch so konkretere Lösungen finden zu können.
Konzentrieren wir uns zunächst einmal nur auf Korruption, die in der öffentlichen Ebene stattfindet: Wenn ein Staat korrupt ist, bedeutet dies, dass Geld missbraucht und somit nicht für den optimalen Zweck, also für das Gemeinwohl, verwendet wird. Geschieht dies immer wieder, werden die Kapazitäten und Ressourcen eines Staates drastisch eingeschränkt. Die Bürger:innen nehmen die Tatsache wahr, dass Ressourcen zweckentfremdet werden und beginnen dem öffentlichen Sektor zu misstrauen. Es resultiert die oben besagte Entfremdung zwischen Bürger:innen und dem Staat.
Was tun gegen Korruption?
Eine der Strategien zur Reduzierung von Korruption wäre soziale Kontrolle. Soziale Kontrolle hat die Fähigkeit der Überwachung und Kontrolle und kann somit dazu beitragen, Korruptionshandlungen zu verhindern, aufzudecken und den Staat entsprechend zur Rechenschaft zu ziehen. Ohne die Bürger:innen kann es jedoch keine soziale Kontrolle geben. Diesen kommt die Aufgabe zu, zu überwachen und die „Glocke zu läuten“, damit die Kontrollbehörden handeln können und Korruptionshandlungen offiziell sanktioniert werden. Denn wenn es keine Sanktionen gibt, verliert die soziale Kontrolle ihren Wert, da sie keine Resonanz oder Wirkung innerhalb der Gesellschaft oder der Kontrollbehörde hat. Wenn jedoch auch die Kontrollbehörden korrupt sind, funktioniert diese Art von Sanktion allerdings nicht. Informelle Sanktionen, die direkt von der Gesellschaft gegen die Akteure verhängt werden, wie zum Beispiel das sogenannte „Naming and Shaming“, könnten da zum Tragen kommen. Doch auch diese Art von Sanktion funktioniert immer weniger.
Die meisten Menschen sind sich darüber einig, dass Korruption im Grunde schlecht ist. Trotzdem sind wir es, die dazu beitragen, dass die Korruption bleibt. Denn wenn politische Akteure erwarten, bestochen zu werden und Bürger:innen erwarten, bestechen zu können, dann ist es schwierig, auf Integrität zu bestehen. Dieses Dilemma zeigt sich etwa bei Social Media: Eigentlich wäre das Internet ein gutes Tool, um bottom-up korrupte Vorgänge zu benennen, transparent zu machen und zumindest sozial zu ächten. Ironischerweise nutzen gerade diejenigen Politiker:innen, die durchaus einen Hang zur Korruption haben, Social Media auf solche Weise, um ihre Korruption zu bagatellisieren oder gar zu leugnen. Wenn die Wahrheit als Grundpfeiler des Vertrauens keinen Wert mehr besitzt, sind der Korruption Tür und Tor geöffnet.
Im Laufe der Jahrzehnte hat sich unser Verständnis von dem, was richtig oder falsch ist, verändert. Und so scheint es, dass sich unsere Toleranzgrenzen immer mehr ausweiten und wir mittlerweile Handlungen und Verhaltensweisen akzeptieren, die wir zuvor noch als nicht richtig interpretiert hätten. Besonders dann, wenn politische Akteure Korruptionshandlungen begehen, die der Gesellschaft Vorteile bringt, drückt eben diese Gesellschaft oftmals ein Auge zu. Langfristig ist dies sehr gefährlich. Kein Zufall, weisen diejenigen Länder, in denen die Korruption höher ist, schlechtere Werte bezüglich Demokratisierung und Rechtstaatlichkeit aus.
Noch fehlt uns leider das Bewusstsein, dass jeder Einzelne von uns mit seinen Handlungen aktiv dazu beitragen kann und muss, damit eine Demokratie funktionieren kann, denn nur so können wir uns den globalen Herausforderungen stellen. Gerade jetzt, wo die Demokratie an vielen Orten der Welt in Frage gestellt wird, sollten wir zu ihr Sorge tragen, sie lebendig halten und sie immer wieder reflektieren, d. h. also uns, den staatlichen Institutionen und den politischen Würdeträgern genau auf die Finger zu schauen und Integrität aktiv einzufordern.
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